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V. Burschenschaften und politische Parteien
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Funktionäre „im Gestern verfangen war( en ) und ( … ) den Blick in die Zukunft weder
suchen noch finden wollten“.363 Sofern es „dem FPÖ-Politiker“ gelang , ein Vertrau-
ensverhältnis zu den „nicht immer einfachen Gesprächspartnern“ zu etablieren , habe
er daraus dringend benötigte Unterstützung beziehen können.364 Damit verweist Peter
vermutlich nicht zuletzt auf die Funktion der völkischen Vereinsrepräsentanten als opi-
nion leaders innerhalb eines für die FPÖ essenziellen WählerInnensegments und Rekru-
tierungsfeldes. Nicht zuletzt den Machern der verschiedenen Verbandsperiodika kam
eine solche Meinungsbildungs- und Multiplikatorenrolle zu. Als Organ der Freiheit-
lichen Akademikerverbände fungierte die Aula seit jeher als Verbindungsglied zwischen
der Partei und dem akademischen Sektor des völkischen Spektrums.365 FPÖ-Vertre-
ter traten in ihr von Beginn an als Autoren und seit der Umgestaltung der Zeitschrift
in Richtung eines Magazins in den 1980er-Jahren auch als Interviewpartner auf. Ver-
bundenheit wird darüber hinaus traditionell mit Glückwunsch-Einschaltungen in Ju-
biläumsausgaben bekundet ( und dies durchaus nicht nur von korporierten FPÖ-Ka-
dern ).366 Parteichefs hatten die Aula als Sprachrohr der Völkischen inner- und außerhalb
der Partei im Blick zu behalten und
– so sie geneigt waren , Glaubenssätze des durch sie
repräsentierten Spektrums infrage zu stellen oder zentrale ‚nationale‘ Anliegen zu ver-
nachlässigen – publizistische Querschüsse zu gewärtigen. Den Gegenspielern solcher
Parteichefs , wie etwa Haider und Scrinzi unter Steger , räumte das FAV-Periodikum
ausgiebig Raum ein , um öffentlich ihre Kritik zu artikulieren.367 Schon aufgrund dieses
Störpotenzials erschien es FPÖ-Politikern angeraten , eine gedeihliche Gesprächsbasis
mit der Aula und ihrem Umfeld zu etablieren und zu wahren. Welche Gründe darüber
hinaus dafür sprachen , d. h., worin der Wert der Korporationen für die Freiheitlichen
im Untersuchungszeitraum bestand , erörtere ich in weiterer Folge.
Den Tag der freiheitlichen Akademiker 1966 beehrte Peter nicht nur mit seiner Anwesenheit , son-
dern nutzte auch die Kontroverse um Sigurd Scheichls dort gehaltene selbstkritische Rede ( vgl. Ka-
pitel III.5.3 ) als Gelegenheit , bei den traditionalistischen Alten Herren zu punkten. Er ergriff das
Wort und „verteidigte die Auffassung der älteren Generationen , dass der Einzelne dem Vaterlande
zu dienen habe , äußerstenfalls mit Hingabe seines Lebens“ ( Aula Nr. 12 / 1966 , Akademisches Le-
ben , II ). Neben taktischen Erwägungen dürfte dabei freilich auch Peters Vergangenheit in der Waf-
fen-SS eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben.
363 Peter 1998 , 142 bzw. 141.
364 Ebd., 142.
365 Vgl. hierzu auch Gärtner 1996 , 17.
366 Vgl. etwa Aula Nr. 12/2011 ( zum 60-Jahr-Jubiläum ) oder Bailer/Neugebauer 1993a , 120 f. ( zu den Gra-
tulantInnen zum 40-Jahr-Jubiläum 1991 ). Zum Auftreten nichtkorporierter ParteivertreterInnen in der
Aula vgl. Gärtner 1996 , 171 f.
367 Vgl. zum Verhältnis von Aula und FPÖ in den 1980er-Jahren und zur Rolle der Zeitschrift bei Hai-
ders Machtübernahme Gärtner 1993 , 262–264. Bailer/Neugebauer ( 1993a , 122 ) konstatieren eine Annä-
herung nach dem Obmannwechsel 1986 und weisen dabei dem damaligen Co-Schriftleiter Mölzer eine
„Schlüsselrolle“ zu.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619