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V. Burschenschaften und politische Parteien
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Erziehung ) und III.6.3 ( unter dem Gesichtspunkt des verbindungsstudentischen Elita-
rismus ) thematisiert , ihr konkreter Niederschlag in der freiheitlichen Rekrutierung über
die Zeit fand in Abschnitt V.1 des vorliegenden Kapitels Behandlung. Weiters wurde
im vorangegangenen Abschnitt V.6 die FPÖ als Ort der Wahl für Korporierte mit par-
teipolitischen Ambitionen präsentiert. Ihrem Blick auf die Partei als politisches Betä-
tigungsfeld entspricht aus Sicht der Letzteren die Funktion der Verbindungen , qua-
lifiziertes Personal zur Verfügung zu stellen. Das Gleichgewicht dieses auf den ersten
Blick symbiotischen Verhältnisses wird – jedenfalls aus der Perspektive der FPÖ – al-
lerdings dadurch gestört , dass die Partei zwar die individuellen Kader will und braucht ,
deren Rekrutierung ihr aber die Seilschaften und das zuvor erwähnte Störpotenzial des
gesamten Korporationswesens einträgt.
Nicht mehr näher ausgeführt werden muss angesichts der erwähnten Vorarbeiten ,
dass Korporationsstudenten ihren Anspruch auf gesellschaftliche Führungsfunktio-
nen wesentlich auf eine Selbstwahrnehmung als zugleich sachkompetent ( qua akade-
mischer Ausbildung ) und moralisch exzellent ( qua Erziehung im Männerbund ) grün-
den. Ohne über den Realitätsgehalt dieser Selbsteinschätzung urteilen zu wollen , sei
festgehalten , dass sie zumindest im Kontext der Freiheitlichen Partei eine gewisse
Plausibilität aufweist. Zum einen veranschaulichen die bisherigen Regierungsbeteili-
gungen der FPÖ auf Bundesebene deren Probleme , kompetente Personen für geho-
bene Positionen außerhalb des Verbindungsstudententums zu rekrutieren. Zum ande-
ren stützen die Erfahrungen der Regierungen Schüssel I und II die Vermutung , dass
der über rein karrieristische Motivation hinausreichende , prinzipienorientierte Gestal-
tungswille von Burschenschafter-Politikern , deren quasi-aristokratischer Ethos des Füh-
rens als Dienst an einem höheren Ideal und das in den Verbindungen kultivierte rigide
Verständnis von ‚Ehrenhaftigkeit‘ in der Tat eine gewisse Berechenbarkeit und Zurück-
haltung in puncto persönlicher Vorteilnahme verbürgen.371 Zusätzlich verfügen viele
Verbindungsmitglieder schon in jungen Jahren über im Bund , im Dachverband und/
oder in der Hochschulpolitik erworbene politische Erfahrung. Vor allem in den ersten
Jahrzehnten der FPÖ-Geschichte begünstigte schließlich auch die berufliche Situa-
tion vieler Alter Herren deren aktiven Einstieg in die FPÖ. Die schwarz-rote Patronage
371 Jedenfalls weisen die ( Anfang 2013 zum Gutteil rechtlich noch nicht geklärten und daher präsumtiven )
Korruptions- und sonstigen Politaffären im unmittelbaren Einflussbereich dieser Regierungen eine über-
aus starke Involvierung von einst der Haiderschen ‚Buberlpartie‘ zugerechneten Personen auf , während
Korporierte eine vergleichsweise randständige Rolle spielen ( zur nachdrücklichen Relativierung dieser
Aussage vgl. Glitter 2009 ). In diesem Zusammenhang sei auch an Stimmers Vermerk über die „höhere
Kontrolldichte von Gruppenwerten“ und die „wesentlich subtileren und wirksameren Sanktionsmecha-
nismen“ in Studentenverbindungen ( gegenüber Parteiorganisationen ) erinnert. Die Kontrolldichte ge-
winne gerade angesichts „zunehmender ideologischer Erosion der Parteien“ – also eines Prozesses , der
für die Haider-Ära der FPÖ als geradezu prägend angesehen werden kann – an Bedeutung ( Stimmer
1997 , Band II , 1077 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619