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V. Burschenschaften und politische Parteien
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wusstsein dessen forderte Jörg Haider seine Waffenbrüder 1989 im Interview mit der
Aula auf , für die FPÖ „Sachkonzepte , Lösungsmodelle für einzelne Problembereiche
( zu ) erarbeiten und ( … ) die Arbeit für dieses Land von den politischen Wertvorstel-
lungen her , bis hin zur Lösung auch von technischen Detailproblemen ( … ) in An-
griff zu nehmen“. Diese „Zusammenarbeit“ sei auch „bereits in vielen Bereichen begon-
nen worden ( … ), etwa bei der Erarbeitung des Pensionsmodells oder der Alternativen
zur Steuerreform“.385 So willkommen derlei Expertise der Partei sein musste , so sehr
konnte allerdings die Angewohnheit von Burschenschafter-Politikern , traditionelle völ-
kische Anliegen und Perspektiven zu forcieren , mit dem gerade von Haider ausgege-
benen Ziel der Stimmenmaximierung in Konflikt treten. Der Plan , die Parteiakade-
mie über Schulung und Publizistik hinaus auch „mit der Erstellung wichtiger Studien
sowie der Forschung für die Ministerien“ zu betrauen386 , kann auch als Reaktion auf
diese Problematik und als Ausdruck des Wunsches nach Ausbau der ‚parteieigenen‘
Sachkompetenz gedeutet werden.
Die Akademie war als Zentrum der FP-internen Aus- und Weiterbildung sowie der
inhaltlichen Debatte nicht per se gegen den Einfluss der Korporationen gerichtet , wenn-
gleich eine zumindest latente Konkurrenzstellung diesen gegenüber in ihrem Aufgaben-
und Tätigkeitsprofil angelegt war. Zum einen standen ihre Angebote auch korporierten
Kadern offen ( und wurden von diesen auch genutzt ), zum anderen konnte ihr allgemei-
ner Auftrag von den je handelnden Personen in unterschiedliche Richtungen interpre-
tiert werden. So florierten im FBW der 1970er-Jahre die Ideen der Atterseer , während
die Einrichtung unter Mölzers Leitung ( 1991 bis 1993 ) gezielt in den Dienst der Verbrei-
tung völkischer Ideologie gestellt wurde.387 Nach der Entbindung des Corpsiers von sei-
nen Leitungsfunktionen kam die erwähnte Konkurrenzstellung zu den Verbindungen
stärker zum Tragen. In der Ära Strache schließlich konnte es vorkommen , dass ein ver-
bindungsstudentisches Symposium ( gegen die Frankfurter Schule , vgl. Kapitel IV.2.6 )
vom nunmehrigen FPÖ-Bildungsinstitut übernommen und ohne jeden inhaltlichen oder
personellen Bruch zu einer eigenen Symposienreihe ausgebaut wurde.
Sonstige Funktionen
So , wie die Verbindungen die FPÖ als Multiplikatorin völkischer Positionen schätz-
ten und nutzten , griff umgekehrt auch diese fallweise auf die meinungsbildende und
385 Aula Nr. 2 / 1989 , 17. Vgl. auch den „Handlungsauftrag für die Korporationen“ , den Haider bereits 1987
am Kommers des ÖPR-Burschentages erteilt hatte ( zit. in Aula Nr. 7–8 / 1987 , Akademisches Leben , 1 ).
386 Harald Fischl , zit. n. trend Nr. 4/2000 , 62.
387 Vgl. Perner/Schiedel/Zellhofer 1994 , 49–53 zum FBW unter Mölzer sowie ebd., 53–56 zum in dieser Zeit
initiierten FBW-‚Jahrbuch für politische Erneuerung‘ , in dessen AutorInnenschaft die damaligen ‚neu-
rechten‘ Anwandlungen Mölzers Niederschlag fanden.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619