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V. Burschenschaften und politische Parteien
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Seit der Ära Peter hat die FPÖ zwei rasche Wachstums- und eine noch raschere
Schrumpfungsphase durchgemacht , die ihr Gesicht in vielerlei Hinsicht verändert ha-
ben. Der Korporierteneinfluss ist jedoch in quantitativer Hinsicht eher angestiegen
als zurückgegangen und auch in qualitativer Hinsicht weitgehend unverändert geblie-
ben – einschließlich seiner dem Parteierfolg zum Teil abträglichen Effekte. Durchaus
verändert haben dürfte sich dagegen die Bedeutung der Korporierten für die Partei :
Die einstige Unverzichtbarkeit scheint zunehmend infrage gestellt. So scheint es wenig
gewagt , zu vermuten , dass das elektorale Gewicht des völkischen Verbindungswesens
von der abschreckenden Wirkung des milieutypischen Revanchismus und NS-Relati-
vismus auf moderate WählerInnen zumindest aufgewogen wird. Der Bedarf der FPÖ
an Ideologen ist umso geringer , je weniger sie als Weltanschauungspartei und je stär-
ker sie populistisch agiert. Auch an der Parteibasis , nicht zuletzt in ländlichen Gebie-
ten , dürfte die Bedeutung der Verbindungsstudenten über die letzten Jahrzehnte deut-
lich abgenommen haben. War der Korporiertenanteil in gehobenen Parteifunktionen
schon immer missrepräsentativ für die Wahlbevölkerung insgesamt , so ist er es inzwi-
schen auch für die eigenen WählerInnen und vermutlich selbst für die eigenen Mit-
glieder und die Kader der unteren Ebenen.
Dass den Korporationen trotz all dem nach wie vor zugestandene Gewicht in der
Partei kann als Auswuchs von Tradition und Gewohnheit sowie des schon in der Ein-
leitung dieses Kapitels erwähnten Umstandes gedeutet werden , dass die FPÖ insgesamt
auf dem Boden ( ethno-)nationalistischer und konservativer Weltanschauung steht und
etwa burschenschaftliche Ideologie daher keineswegs als ihr Äußerliches anzusehen ist.
Über diese grundsätzliche Kompatibilität hinausweisende ( und politisch mitunter kon-
traproduktive ) Zugeständnisse personeller , inhaltlicher und sonstiger Art verweisen da-
gegen auf die Drohkulisse , welche die Verbindungen nach wie vor gegenüber der Partei
aufzurichten imstande sind. Diese gründet zum einen in ihrer nach wie vor schwieri-
gen Ersetzbarkeit , wenn es um die Besetzung qualifizierter Positionen geht , sowie zum
anderen in dem immer wieder unter Beweis gestellten Stör potenzial der Völkischen als
auf allen Parteiebenen verankerte , ideologisch formierte und im Ernstfall entschlossen
agierende Gruppe. In Summe scheint die Abhängigkeit der Partei von den Korporati-
onen heute jedoch weniger ausgeprägt als jene der Korporationen von der Partei
– und
könnte die FPÖ demnach wohl viel eher ohne die Verbindungen politisch überleben als
umgekehrt die Verbindungen ohne sie. Eine zumindest stille Aufkündigung der Inter-
essengemeinschaft in ihrer derzeitigen Form durch die Parteiführung ist vor dem Hin-
tergrund der erwähnten Negativeffekte daher durchaus vorstellbar – eine darauf fol-
gende Abwendung großer Teile des Verbindungswesens von der Partei dagegen kaum ,
solange Letztere zumindest noch im Stillen für die Korporationen wirkt. In diese Rich-
tung deuten jedenfalls die nach außen hin verhaltenen Reaktionen aus Korporierten-
kreisen auf die ( vorläufige ) Abschiebung eines Martin Graf und eines Andreas Möl-
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619