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VI. Abschließende Überlegungen
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haltung bildeten meiner Analyse nach denn auch Eckpfeiler des burschenschaftlichen
Selbstverständnisses in der Zweiten Republik. Zum Abschluss des Kapitels habe ich
das burschenschaftliche Verhältnis zu Demokratie in Form und Inhalt erörtert und
dabei auf die Notwendigkeit hingewiesen , jene beiden Ebenen auseinanderzuhalten.
Allzu augenfällig ist der Kontrast zwischen formalen Demokratiebekenntnissen ei-
nerseits und innerburschenschaftlichen Hierarchien bzw. autoritären Strukturen so-
wie der burschenschaftlichen Unterordnung des Individuums unter das ( bündische
wie völkische ) Kollektiv andererseits.
Die Auseinandersetzung mit burschenschaftlicher politischer Praxis habe ich in Ka-
pitel IV mit einer Betrachtung des eigenständigen politischen Engagements von Bur-
schenschaften eröffnet. Dieses wies trotz hohen Einsatzes jedenfalls der motivierteren
Teile des Burschenschaftswesens nur geringe Breitenwirksamkeit auf – und das über
den gesamten Untersuchungszeitraum. Als maßgebliche Ausnahmen habe ich zum ei-
nen die Studierendenpolitik benannt , wo völkische Korporierte im Rahmen des Rings
Freiheitlicher Studenten (RFS) bis in die 1970er-Jahre große Erfolge feierten , zum ande-
ren den Südtirol-‚Aktivismus‘ ( v. a. ) der 1960er-Jahre. Burschenschafter drehten unter
Einsatz terroristischer Methoden maßgeblich an der Eskalationsspirale des Südtirol-
konflikts und fanden dabei unter Verbandsbrüdern ein bemerkenswertes Maß an Dul-
dung , ja sogar Wertschätzung. Die Anwendung völkischer Weltsicht auf die konkrete
Konfliktkonstellation in Südtirol / Alto Adige fand Niederschlag in einer höchst selek-
tiven Wahrnehmung der Realitäten vor Ort und einem paternalistisch-instrumentalis-
tischen Zugang zur als schützenswert identifizierten Volksgruppe.
Für die Ebene der Parteipolitik ( Kapitel V ) habe ich ein nahezu vollständiges Mo-
nopol der FPÖ auf burschenschaftliche Unterstützung konstatiert und dies anhand
einer statistischen Erhebung zum Aufkommen völkischer Korporierter in gehobenen
Parteipositionen untermauert , die gleichzeitig den Stellenwert der Korporierten für die
Partei unterstreicht. In der Betrachtung über den Zeitverlauf konnte weiters für den
österreichischen Nationalrat gezeigt werden , dass starkes Wachstum der Partei histo-
risch den Anteil von Verbindungsstudenten im freiheitlichen Klub tendenziell absin-
ken ließ – meiner Interpretation nach Effekt der in diesen Phasen von der Parteifüh-
rung angestrebten Stimmenmaximierung bei gleichzeitiger personeller Verbreiterung
und taktischem Hintanstellen von als nicht massengängig erkannten Dogmen. Wenn-
gleich Korporierte über die Geschichte der FPÖ hinweg durchaus in unterschiedlichen
Flügeln derselben zu finden waren , ist doch evident , dass das verbindungsstudentische
Parteivorfeld und dessen innerparteiliche Exponenten insgesamt der Liberalisierung der
Partei weit stärker entgegen- als zuarbeiteten. Unter den Funktionen , welche Korpo-
rationen und Partei im Untersuchungszeitraum füreinander erfüllten , sind die Kader-
schmiede-Rolle der Ersteren und die Eigenschaft Letzterer hervorzuheben , burschen-
schaftlichen Anliegen breite Wahrnehmung zu verschaffen. Im vorliegenden Kapitel VI
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619