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VI. Abschließende Überlegungen
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schließlich beschreibe ich die politische Bedeutung der Burschenschaften nach 1945 als
nahezu exklusiv an deren Verankerung in RFS ( auf Hochschulebene , bis in die 1970er-
Jahre ) und FPÖ ( bis heute ) gekoppelt. Zum anderen komme ich – unter Verweis auf
Merkmale wie den völkischen Nationalismus , Anti-Individualismus , politisch-ideolo-
gischen Rigorismus und Elitarismus sowie auf den Männerbund als Organisationsform
und Ideologie – zu dem Schluss , dass die im Buch beschriebene burschenschaftliche
Weltsicht und Politikauffassung mit liberaler Demokratie nur in prekäre Übereinstim-
mung zu bringen ist. Für detailliertere Ergebnisdarstellungen sei auf die Zwischen-
resümees am Ende der einzelnen Kapitel verwiesen.
Über die gesamte Darstellung hinweg war es mein Bestreben , der trotz allem Corps-
geist und Geschlossenheitsstreben vorhandenen inneren Heterogenität des Burschen-
schaftswesens gerecht zu werden und dessen trotz aller Dogmatik und Beharrung fest-
stellbare Veränderungen über die Zeit zu veranschaulichen. Über den Erfolg dieses
Unterfangens werden andere befinden ( und dabei vermutlich zu recht unterschied-
lichen Urteilen gelangen ). Freilich konnten viele relevante Fragestellungen zum The-
menkomplex Burschenschaften und Politik in Österreich im vorhandenen Rahmen
nicht oder nur beiläufig behandelt werden. Zu den Unterthemen , deren Bearbeitung
durch weiterführende Studien ich für besonders lohnend hielte , zählen das Verhältnis
von Burschenschaften und Nationalsozialismus , der burschenschaftliche Einfluss auf
die Programmentwicklung der FPÖ , der burschenschaftliche Beitrag zum politischen
Liberalismus in Österreich nach 1945 und das Verhältnis von Burschenschaften und ka-
tholischem Konservatismus in der Zweiten Republik. Darüber hinaus erschiene es mir
vielversprechend , in künftigen Arbeiten der rigiden Handhabung von Brauchtum und
dem burschenschaftlichen Konventionalismus in Österreich ( etwa in puncto Beklei-
dungsvorschriften ) stärkere Beachtung zu schenken , burschenschaftliches Leben au-
ßerhalb Wiens umfassender einzubeziehen und stärker auf inhaltliche Positionierun-
gen in konkreten Politikfeldern ( etwa in der Hochschulpolitik ) einzugehen.
Zur Abrundung meiner Ausführungen möchte ich auf den verleibenden Seiten zwei
mir sehr wesentlich erscheinende Fragen systematisch erörtern , die bislang nur en pas-
sant berührt wurden. Erstens ziehe ich ein Fazit über die politische Bedeutung der Bur-
schenschaften in Österreich und die Entwicklung dieser Bedeutung über die Zeit. Zwei-
tens diskutiere ich , inwieweit burschenschaftliche Ideologie und burschenschaftliches
Politikverständnis mit den Grundprinzipien liberaler repräsentativer Demokratie und
den elementaren Anforderungen an in deren Rahmen tätige politische AkteurInnen
vereinbar sind. Dabei geht es mir nicht darum , über die Qualität burschenschaft licher
Politik zu urteilen
– also etwa darüber , ob ethnisierende Interpretationen sozialer Pro-
bleme eher zur Lösung oder zur Verschärfung dieser Probleme beitragen , oder inwie-
weit auf Basis irrationaler Kategorien aus dem 19. Jahrhundert zukunftsfähige Politik im
21. Jahrhundert betrieben werden kann. Vielmehr geht es mir um die Frage der grund-
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619