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VI.1 Die politische Bedeutung der Burschenschaften in Österreich
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burschenschaftliche Restauration mündete zunächst in eine Zeit relativ erfolgreicher
Rekrutierung , starker Präsenz und breiter Salonfähigkeit v. a. auf universitärem Bo-
den , was Lindinger zur Rede von den „Blütejahre( n )“ einer „neuen Burschenherrlich-
keit“ animierte.4 Als Begleiterscheinung kam es teilweise zur Überschätzung der eige-
nen Bedeutung unter den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen der Zweiten
Republik.5 Anders als die Burschenschaften in Deutschland , so der Innsbrucker Ger-
mane Werner Riesenhuber , seien die österreichischen nicht nur von „Umerziehung“ und
„dem westlichen Einfluß ( … ) weitgehend verschont geblieben“, sondern auch „noch
nicht ganz zur Bedeutungslosigkeit herabgesunken“.6 Diese Bestandsaufnahme stammt
von 1968 – und damit just aus jener Zeit , die nicht nur nach Stimmers Einschätzung
einen entscheidenden Wendepunkt markierte. Stimmer sieht den „drastische( n ) Nie-
dergang der deutschnationalen Korporationen“, der sich u. a. in Fusionen , Bundauflö-
sungen , zurückgehenden Aktivenzahlen und der studierendenpolitischen Marginali-
sierung des RFS niedergeschlagen habe , „mit Beginn der 70er Jahre“ einsetzen.7 An
anderer Stelle verortet er den Umschwung „nach 1966“ und stellt eine Verbindung mit
der einsetzenden ‚1968er-Bewegung‘ her. Mit dem Abstieg zur universitären Rander-
scheinung ( freilich nicht zuletzt Folge der sozialen Öffnung der Hochschulen und stark
steigender Frauenanteile unter den Studierenden ) hätten die völkischen Korporationen
einen „dramatische( n ) Schwund ( … ) ihrer Attraktivität , ihrer Stärke“ und somit auch
ihrer hochschul- und studierendenpolitischen Bedeutung erlitten , während ihr Ein-
fluss auf gesamtgesellschaftlicher Ebene durch die „veränderten politischen Rahmen-
bedingungen“ der Zweiten Republik zunichtegemacht worden sei.8
4 Lindinger 2009 , 74 ; vgl. auch ebd., 71.
5 Ein Indiz für den realen damaligen Stellenwert der Burschenschaften liefert die überschaubare Resonanz ,
die ihren Bemühungen um mediale Repräsentation beschieden war. Die zu ADC- und DBÖ-
Tagen ab-
gefassten Berichte burschenschaftlicher Amtsträger sind voll von entsprechenden Misserfolgsmeldun-
gen ( vgl. etwa BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Anlage 2 zur Niederschrift des ADC-Tages 1957 , 1 ; Anlage 2 / 1
zur Niederschrift des ADC-Tages 1959 , 1 im selben Bestand ; oder BAK , DB 9 , E. 4 [ A3 ], Anlage 1/2 zur
Niederschrift des DBÖ-Tages 1962 , 3 ). Erfolge ließen sich am ehesten mit Stellungnahmen zur massen-
gängigen und auf einem breiten Elitenkonsens aufruhenden Südtirolfrage erzielen ( vgl. BAK , DB 9 , E.
4 [ A2 ], Anlage 2/6 zur Niederschrift des ord. DBÖ-Tages 1961 , 2 ), die bisweilen tatsächlich Reaktionen
politischer Amtsträger hervorriefen ( vgl. u. a. BAK , DB 9 , E. 4 [ B2 ], DBÖ-Rundschreiben Nr. 1 [ Cruxia ]
vom 15. 11. 1961 , 1 f. ). Zu den Eingaben des ADC und der DBÖ an Regierungsstellen vgl. Kapitel IV ( v. a.
die Abschnitte IV.1.1. sowie IV.3 zu Südtirol / Alto Adige ).
6 Germanenmitteilungen , 15. 12. 1968 , 6. Für die BRD hatte ein Vorsitzender der Vereinigung alter Burschenschaf-
ter ( VaB ) schon 1961 erklärt , „( m )an sollte sich nicht der Illusion hingeben , daß die Deutsche Burschen-
schaft heute noch irgendwie ein politischer Faktor sei“. Vielmehr sei sie „in der Volksmeinung kaum mehr
als ein ‚fossiles Relikt‘ “ ( BAK , DB 9 , C. IV.2 [ A1 ], VaB-Mitteilungen Nr. 30 / 1961 ( Vorort Bremen ), 22 ).
7 Stimmer 1997 ( Band II ), 1001.
8 Junge Freiheit Nr. 8 / 1997 , 7. Vgl. zum hier beschriebenen Wandel an den Universitäten auch Stoffl/Urbas
1980.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619