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VI. Abschließende Überlegungen
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Das Ausmaß , in dem die Burschenschaften in Österreich seit dem Krieg nicht nur
an Bedeutung , sondern auch an Bezug zum Zeitgeschehen verloren hatten , brachte der
Wiener Silese und Linzer Armine Gerhard Wirl in den 1990er-Jahren auf den Punkt :
„In der ersten Republik , vielleicht auch noch in den 50er und 60er Jahren wurden die
Anliegen der Burschenschaft in Akademikerkreisen verstanden und je nach Standpunkt
abgelehnt oder akzeptiert. Heute versteht man uns nicht mehr , allenfalls werden wir
interpretiert.“19 Wo burschenschaftliche Politikvorstellungen überhaupt noch wahr-
genommen wurden , erschienen sie zunehmend als Kuriosum. Gleichzeitig herrschte
just um 1990 in burschenschaftlichen Kreisen Aufbruchsstimmung. Das Ende des real
existierenden Sozialismus in Europa , die Eingliederung der DDR in die BRD und der
Aufstieg der Haider-FPÖ schienen burschenschaftliche Positionen zu bestätigen und
Rückenwind zu verleihen.
Die Nachkriegszeit ist mit dem Jahr 1990 endgültig vorbei. Damit besteht endlich auch für
uns wieder die reelle Möglichkeit , aus dem 45jährigen Delirium aus Schuld und Sühne auf-
zuwachen und unsere wahren altehrwürdigen Schätze zusammenzutragen , zu ordnen und
kundzutun. Die ernsthaften Zuhörer sind uns gewiß.20
Auch wenn es alles andere als Versunkenheit in ‚Schuld und Sühne‘ gewesen war , das
die Burschenschafter Österreichs bis dato in ihrer Außenwirkung blockiert hatte , ver-
zeichneten etwa die Oberösterreicher Germanen 1993 nach eigenen Angaben die bis dato
stärkste Aktivitas seit dem Krieg.21 Hatzenbichler konstatierte 1994 insgesamt einen
erstmals seit dem Einbruch um 1968 wieder verstärkten Zulauf und 1997 ( mit Co-Au-
tor René-Lysander Scheibe ) abnehmende „Vorurteile gegen die Burschenschafter“22 ,
während Stimmer an selber Stelle eine „erstaunliche Wiedererstarkung“ der Korpora-
tionen behauptete.23
Inwieweit eine solche Entwicklung tatsächlich stattfand , ist aufgrund der Quel-
lenlage nur bedingt beurteilbar. Sie scheint in jedem Fall wenig nachhaltig gewesen
zu sein. Zwar weisen – wie auch über die vorangegangenen Jahrzehnte – immer wie-
der einzelne Bünde starke Aktivengenerationen auf und wird in burschenschaftlichen
19 Arminenbrief , ( mutmaßlich ) Sommersemester 1995 , 4. Vgl. für Diagnosen der eigenen Bedeutungslosig-
keit aus dieser Zeit auch ebd., 2 sowie den Arminenbrief vom Sommersemester 1994 , 7.
20 Gunther Pendl , zit. n. Oberösterreicher Germanen 1994 , 161.
21 Vgl. Oberösterreicher Germanen 1994 , 183.
22 Hatzenbichler 1994 , 255 f. bzw. Junge Freiheit Nr. 8 / 1997 , 7.
23 Junge Freiheit Nr. 8 / 1997 , 7. Für weitere Wahrnehmungen eines Aufschwungs um 1990 vgl. Jörg
Haiders Bericht über steigende Aktiven-Zahlen am Burschentag des Österreichischen Pennäler-Rings
( ÖPR ) 1987 ( wiedergegeben in Aula Nr. 7–8 / 1987 , Akademisches Leben , 1 ) oder die Semesternachrichten
der Wiener aB ! Silesia vom Sommer 1987 , 9.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619