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VI.1 Die politische Bedeutung der Burschenschaften in Österreich
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Zustandsbeschreibungen immer wieder Zweckoptimismus geübt.24 Den großen Linien
nach gilt aber die während der Restaurationsphase getätigte Bestandsaufnahme des
Wiener Moldaven Ferdinand Engel auch heute : „Die B !B ! [ Burschenschaften , Anm.
B. W. ] stehen alle im Daseinskampf , es fehlt überall an Nachwuchs , sodaß die Einzel-
bünde die nötige Durchschlagskraft nicht erreichen können und ihre Tätigkeit somit
nur geringen Einfluß auf die akademische Jugend ausübt.“25 Tendenzen einer hoch-
schulpolitischen Rückwärtsentwicklung – Verschulung der Studienpläne , wachsender
ökonomischer Druck auf Studierende – verschärften diese Problematik noch , indem
sie politische Betätigung während der Studienzeit generell erschwerten. Dass offen-
kundig breite Bevölkerungsschichten burschenschaftliche Positionen etwa in migra-
tions- und kulturpolitischen Belangen teilten , münzte sich kaum in eine breitere Wahr-
nehmung der Burschenschaften an sich um. Ebenso wenig ging der parteipolitische
Rechtsruck mit der von diesen erhofften Repopularisierung von Ideologiebeständen
wie dem Deutschnationalismus einher.
Über geringen Einfluss hinaus ist den Burschenschaften in Österreich – fernab des
Hochschulbodens , und mancherorts selbst dort
– nachgerade Unsichtbarkeit zu attes-
tieren. Diese konnten sie im Untersuchungszeitraum meist nur überwinden , wenn sie
bzw. einzelne ihrer Mitglieder mit rechtsextremen Aktivitäten auffällig wurden ; wenn
ihre Veranstaltungen die Aufmerksamkeit von AntifaschistInnen fanden ; oder wenn
ihre Rolle in der und für die FPÖ Thematisierung erfuhr.26 Mit ebendieser Rolle der
Burschenschaften und der Stärkeentwicklung ihres parlamentarischen Arms steht und
fällt bis heute ihre politische Bedeutung in der Zweiten Republik. Der gegenüber frü-
heren historischen Phasen erfahrene Verlust an eigenständiger , unvermittelter Relevanz
blieb daneben nicht folgenlos. Er kratzte am elitären Selbstverständnis der Burschen-
schaften ( bzw. ließ sie dessen Herleitungen reformulieren ) und verstärkte ihre ohnehin
vorhandene Oppositionsneigung , die nun eine äußerst reale politische Grundlage er-
hielt. Nicht zuletzt wurde der Bedeutungsverlust mit ( auch ) ideologischer Einigelung
24 Vgl. zu erstgenanntem Punkt die Angabe der Wiener Alben von 2005 über einen „stete( n ) Zulauf“ seit ih-
rer Vertagung Anfang der 1980er-Jahre. Allerdings war man zum Zeitpunkt dieser Aussage nach eigener
Darstellung auch der Bund mit den meisten Aktiven Österreichs ( Albia 2005 , 3 ). Zum Zweckoptimismus
vgl. die Ausführungen der Stiria Graz von 2009 über die Aktualität der Burschenschaften in Zeiten der
Wirtschaftskrise ( http://stiria-graz.at/index.php?option=com_content&view=article&id=15&Itemid=17 ).
25 BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Niederschrift des ADC-Tages 1956 , 8. Als Indiz sei angeführt , dass die zuvor zi-
tierten Alben im Wintersemester 2005/2006 als angeblich stärkster Bund des Landes offenbar über nicht
mehr als sechs Burschen und fünf Füchse verfügten ( vgl. Albia 2005 , 1 ). 2011 zählten die Oberösterreicher
Germanen nach eigenen Angaben zwar nicht weniger als 23 Aktive , nahmen damit allerdings ( auch ) in
dieser Hinsicht eine Sonderstellung unter den Burschenschaften Österreichs ein : nur zwei weitere der in
der hier zitierten Quelle angeführten elf österreichischen Bünde wiesen zumindest eine zweistellige Ak-
tivenzahl auf ( vgl. PBW , DB-Nachrichtenblatt Nr. 312/2011 , 18 ).
26 Dies konstatiert auch Scheichl im Interview vom 8. 6. 2012.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619