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VI.2 Zur burschenschaftlichen Politikfähigkeit
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blanken/nun schwinge ihn gut !/Da gilt dir kein Wanken ,/und strömt auch das Blut./
Beim fröhlichen Schlagen/und da komme , was will :/Kopf hoch mußt du tragen ,/Herz-
bruder – halt still !“49 Ergänzt werden diese Verse in der Teutonen-Chronik durch den
Hinweis auf den fundamentalen Sinn der Übung : „So macht man Männer !“50
Auf den Zusammenhang von Rigorismus und Reflexionsabwehr wurde bereits in der
Einleitung zu Abschnitt VI.2 hingewiesen. Insbesondere der zentrale Stellenwert des
Deutschtums in der burschenschaftlichen Identitätsbildung und die vielfältigen Bedro-
hungen , denen diese deutsche Identität des Burschenschafters in Österreich und seiner
Umgebung nach 1945 ausgesetzt schienen , riefen ein Verhalten hervor , das schwerlich
anders denn als zwanghaft bezeichnet werden kann. Angesichts der staatsrechtlichen
Abtrennung vom deutschen ‚Kernland‘ und der bröckelnden Wahrnehmung Österreichs
als ‚deutsches‘ Land selbst durch bundesdeutsche Burschenschafter meinten deren ös-
terreichische Verbands- und Waffenbrüder – wie schon 1866 / 1871 – , ihr Deutschtum
fortwährend unter Beweis stellen zu müssen. Der Kampf für die ‚Deutscherhaltung‘
Österreichs und anderer für den großdeutschen Gedanken verlorener Territorien wurde
neben der Konstruktion einer jugendlichen Nachfrage zur Grundlage der Behauptung
einer Existenznotwendigkeit der völkischen Korporationen nach 1945. Eine wesent
liche
Rolle beim Aufbau des dafür notwendigen Bedrohungsszenarios kam der Beschwö-
rung einer vermeintlich von Süden und Osten her drohenden ‚Slavisierung‘ zu. In ihr
–
wie in jüngerer Vergangenheit durch verstärkte Migrationsbewegungen
– aktualisierte
sich die unter österreichischen Völkischen seit der Zeit des Habsburg’schen ‚Vielvöl-
kerstaates‘ lodernde Urangst vor Majorisierung. Heute wie vor hundert Jahren fürch-
tet der Völkische den Abstieg zur ‚Minderheit im eigenen Land‘ , angetrieben von der
Sehnsucht nach ‚Reinheit‘ ( Homogenität ) und wohl wissend , wie er selbst mit Min-
derheiten zu verfahren pflegte.
Das Beharren auf der Zugehörigkeit Österreichs zu einem Deutschland nach bur-
schenschaftlicher Vorstellung bildet neben dem verbindungsstudentischen Brauchtum
nur den auffälligsten Ausdruck des burschenschaftlichen Konservatismus nach 1945 ,
der sich sowohl auf die Wert- als auch auf die Strukturebene erstreckte. Wo Verände-
rung stattfand , betraf dies weniger Positionen als ihre Begründung ( wie im Fall des
gesellschaftlichen Führungsanspruches der Burschenschaften ); scheinbare program-
matische Innovationen erweisen sich bei näherer Betrachtung als politisch opportune
Fassungen althergebrachter Anliegen ( wie im Fall des Europagedankens ). Dem Ideal
der Standhaftigkeit wie auch einem tief sitzenden Kulturpessimismus entsprechend ,
zeigte man sich geradezu stolz , gesellschaftliche Entwicklungen zu ignorieren und der
Umwelt immer stärker als Anachronismus zu erscheinen. Über 100 Jahre hätten die Li-
49 So Giebischs ‚Mensurlied‘ , wiedergegeben in Teutonia 1968 , 112.
50 Teutonia 1968 , 112.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619