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VI. Abschließende Überlegungen
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berten , so ihr Festredner Peitler zum 100. Stiftungsfest 1960 , „den Charakterlosigkeiten
eines alle 10 Jahre wechselnden Zeitgeistes stets den Trotz ihrer burschenschaft lichen
Gesinnung entgegengesetzt“; sie würden es „auch in Zukunft so halten“.51 Etwa zeit-
gleich formulierte Mühlwerth für die Teutonen ein Lob der „vom Zeitgeist nicht ange-
kränkelten Gesinnung der österreichischen Burschenschaften“.52 Noch 1994 wiesen die
Olympen zu Werbezwecken darauf hin , dass „Umerziehung , Trauerarbeit und Betrof-
fenheit , doch auch Konsum , soziale Dünkel und Moderne“ an ihnen „fast völlig spu-
renlos vorbeigezogen“ seien.53
Dabei handelte es sich keineswegs um bloße Koketterie. Gleichzeitig mit ihrer Öff-
nung für österreichische Bünde verankerte die Deutsche Burschenschaft in ihrer Verfas-
sung jenen Grundsatz , wonach eine Mitgliedsburschenschaft im Fall der „Aufgabe ei-
nes Grundsatzes“ ihren Selbstausschluss vollzöge.54 Auch in den eigenen Reihen wollte
man demnach keine Abweichung vom einmal
– im 19. Jahrhundert
– als richtig erkann-
ten Weg dulden , wie eine bundesdeutsche Burschenschaft am Burschentag der DB 1978
konstatierte. Offenbar seien in der Wahrnehmung jener Verbandsfraktion , der alle öster-
reichischen DB-Bünde angehörten , in Fragen der Verbandsverfassung „Kompromisse
ohne Selbstaufgabe nicht möglich“.55 Selbst noch im engsten Kreis des eigenen Bun-
des glaubte man Grundsätze in Stein meißeln zu müssen : Wie in Kapitel III.5 erwähnt ,
sieht die Satzung Olympias für Grundsatzänderungen dieselbe Vier-Fünftel-Mehrheit
vor , die zur Selbstauflösung des Bundes erforderlich ist.56
Das Bestreben , sich vom vermeintlichen ‚Zeitgeist‘ unbeeindruckt zu zeigen , äu-
ßerte sich bisweilen in blanker Realitätsverweigerung , wie auch in burschenschaft lichen
Kreisen selbst notiert wurde. So sah Alemannia Stuttgart sich 1975 zu dem in Kapitel
II.5.4 ( Exkurs ) erwähnten Antrag veranlasst , wonach die DB sich fortan „an den po-
litischen Gegebenheiten“ orientieren , d. h. staatliche Gebilde und Orte künftig in öf-
fentlichen Stellungnahmen auch mit den offiziellen Bezeichnungen benennen möge ,
anstatt durch die demonstrative Rede vom ‚Deutschen Reich‘ oder der ‚Reichshaupt-
stadt Berlin‘ ( wohlgemerkt im zeitgenössischen Kontext ) eine Vergangenheit zu be-
schwören , der manche offenbar noch nachtrauerten.57 Widerspruch kam , wenig über-
51 Zit. in Libertas 1967 , 254.
52 Teutonia 1968 , 139.
53 DÖW , Olympia-Flugblatt vom Oktober 1994.
54 BAK , DB 9 , B. VI. Burschentage ( a ), Arbeitsunterlagen zum DB-Burschentag 1971 , 12.
55 BAK , DB 9 , B. VI. Burschentage ( a ), Niederschrift des DB-Burschentages 1978 , 15. Vgl. zur fehlenden
Kompromissbereitschaft der Österreicher im Verkehr mit bundesdeutschen Bünden ( hier : im Rahmen
der Fusionsanbahnung zwischen DBÖ und DB ) etwa BAK , DB 9 , C. IV.2 [ A1 ], VaB-Mitteilungen Nr.
25 / 1961 ( Vorort Bremen ), 5.
56 DÖW , Olympia 2006 , 5.
57 BAK , DB 9 , B. VI. Burschentage ( a ), Arbeitsunterlagen zum DB-Burschentag 1975 , 38 ( durchgehende
Kapitalisierung entf. ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619