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VI. Abschließende Überlegungen
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auf die Burschenschafter relevanten Einfluss ausüben. Es reduziert deren taktische
Manövrierfähigkeit , ihre Bandbreite an Kooperationsoptionen , ihre Responsivität für
gesellschaftliche Entwicklungen , mithin ihr eigenes Entwicklungspotenzial und letzt-
lich ihre Regierungsfähigkeit , zumal in Form von Koalitionen.
Freilich waren die erwähnten Eigenschaften stets von Burschenschafter zu Bur-
schenschafter unterschiedlich stark ausgeprägt ( und stand ebenso wenig jeder Bur-
schenschafter am rechten Rand der FPÖ wie jeder an deren rechtem Rand Stehende
Burschenschafter war ). Auch fanden sie im konkreten Handeln der Individuen durch-
aus situationsbezogenen Niederschlag. Noch der rigoroseste Verfechter von Stand-
haftigkeit in der Vertretung burschenschaftlicher Grundsätze mochte unorthodoxes
Verhalten an den Tag legen , wenn eine spezifische Interessenlage es ihm nahezulegen
schien. So stellte etwa auch ein prominenter Ideologe wie Fritz Stüber , der ob seiner
Enthaltung bei der Abstimmung über den Staatsvertrag im Nationalrat 1955 in völ-
kischen Kreisen gefeiert und bis heute als Muster an Grundsatztreue verehrt wird67 ,
in der unmittelbaren Nachkriegssituation bemerkenswerte Flexibilität unter Beweis.
Hatte er 1938 leidenschaftlich für den Anschluß geworben und im Krieg als Journa-
list des Neuen Wiener Tagblatts bis zuletzt Durchhalteparolen ausgegeben , sandte er
bereits Mitte Mai 1945 [ sic ] Gedichte an das Neue Österreich , die mit dem Opportu-
nismus seiner ZeitgenossInnen gegenüber dem NS-Regime hart ins Gericht gingen.
Eine Kostprobe daraus , die Stüber zu jener Zeit verfasst haben wollte , in der er tat-
sächlich die Wehrkraft der Wiener Bevölkerung publizistisch sicherzustellen suchte ,
soll am Ende dieses Buches stehen.
Warum kommt dir auf einmal erst jetzt zu Sinn ,
Ob der Führer denn unfehlbar sei ?
Warum gibst du erst jetzt dem Zweifel dich hin
Über Nutzen und Zweck der Partei ? ( … )
Weil vielleicht der Verstand , der solang sich verschwieg ,
Dir zur Umkehr und Vorsicht nun rät ?
Ach , im fünften Jahr Krieg , im fünften Jahr Krieg
Kommt das Denken ein bißchen zu spät.68
67 Vgl. etwa Aula Nr. 2 / 1978 , 19 f. und Nr. 5 / 1980 , 4 f. Der Wiener Beobachter Nr. 9 / 1998 ( o. S. ) der rechts-
extremen Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik ( AfP ) würdigte Stüber als Mann , „der vor , wäh-
rend und nach Hitler zu seinem Volk stand und – wie ganz wenige Politiker in dieser Republik – zwei
Tugenden besaß : er war aufrecht und standfest“. ( Medienfunde entnommen dem Bestand BAK , DB 9 ,
M. Burschenschafterlisten/Personalia , Stüber , Fritz )
68 Abgedruckt im Neuen Österreich vom 15. 7. 1945 , o. S. ( BAK , DB 9 , M. Burschenschafterlisten/Persona-
lia , Stüber , Fritz ). Vgl. im Kontrast dazu einen ebendort wiedergegebenen Stüber-Vers von 1938 : „Mein
Führer , du ! In allem was ich denken / Und gläubig schaun und mutig schaffen darf , / Steht ernst dein
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619