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2. Terminologische Klärungen
2.1 Einleitung
In systematischer Hinsicht wird es in dieser Untersuchung nicht zuletzt um die Analy-
se und Einordnung der im Wiener Kreis vertretenen Moral- und Ethikkonzeptionen auf
dem neuesten Stand der Forschung gehen , wenn auch nicht immer unter Verwendung der
heute bevorzugten Terminologie. Eine allgemein anerkannte Terminologie ist weder für
die Einteilung ethischer Teildisziplinen noch für die einzelnen Positionen in den einzel-
nen Bereichen vorhanden. Allgemein werde ich schon bei der Benennung der einzelnen
Bereiche von der üblichen Terminologie abweichen , in der zunächst eine Unterteilung in
deskriptive , normative und Metaethik vorgenommen wird. Für die Analyse der hier zu be-
handelnden ethischen Beiträge ist eine davon abweichende Terminologie , die ich in die-
sem Kapitel entwickeln werde , zweckvoller.
Eine Klassifizierung nach bestimmten Merkmalen dient dazu , die Positionen besser
einordnen zu können und somit auch besser vergleichbar zu machen. Keineswegs geht es
jedoch darum , die Positionen so zurechtzubiegen , dass sie perfekt in eine der Klassen pas-
sen. Bei manchen werden bestimmte Unklarheiten bleiben , welchem „Kästchen“ sie zu-
gerechnet werden sollten.
2.2 Teildisziplinen der Ethik
Üblicherweise wird die theoretische Beschäftigung mit Moral in drei Teildisziplinen auf-
geteilt : deskriptive Ethik , normative Ethik und Metaethik. Obwohl ich diesem Usus aus
Gründen , die ich in diesem Abschnitt darlegen werde , schlussendlich in seiner Beschrän-
kung nicht folgen werde , soll mir diese Einteilung hier als Ausgangspunkt dienen.
Der deskriptiven Ethik , die trotz ihres Namens keine Ethik im Sinne von „Moralphilo-
sophie“ ist , werden empirische Disziplinen wie Moralgeschichte , Moralpsychologie , Moral-
soziologie , Moralanthropologie , Morallinguistik sowie manche evolutionstheoretische Un-
tersuchungen der Moral im Rahmen der Soziobiologie zugerechnet. Deskriptiv sind diese
Untersuchungen insofern , als sie die vielfältigen Aspekte und Erscheinungsformen von Mo-
ral als Phänomen vergangener oder gegenwärtiger Lebenswelt beschreiben , vergleichen , re-
konstruieren oder erklären. So wie der Name „deskriptive Ethik“ üblicherweise verwendet
wird , wäre die Bezeichnung „empirische Ethik“ passender , weshalb ich zur Verdeutlichung
im Folgenden von „deskriptiv-empirischer Ethik“ sprechen werde. Innerhalb der deskriptiv-
empirischen Ethik wird zu den Inhalten der untersuchten Moral( en ) nicht moralisch ur-
teilend Stellung genommen. Genuin moralische Sätze werden darin nur erwähnt , nicht ge-
braucht. Insofern wird eine „normative Ethik“ von der deskriptiv-empirischen unterschieden.
Ethik und Moral im Wiener Kreis
Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ethik und Moral im Wiener Kreis
- Untertitel
- Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
- Autor
- Annemarie Siegetsleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79533-9
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 450
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 13
- 2. Terminologische Klärungen 37
- 3. Moral und Ethik im Wiener Kreis und die Standardauffassung logisch- empiristischer Ethik 52
- 4. Das kulturelle Umfeld des politischen und moralischen Engagements 67
- 5. Rudolf Carnap : Individualistischer Dezisionismus und wissenschaftlicher Humanismus 89
- 5.1 Einleitung 89
- 5.2 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik vor der Wiener-Kreis-Periode 92
- 5.3 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik in der Wiener-Kreis-Periode 111
- 5.3.1 Der logische Aufbau der Welt ( 1928a ) und die Konstitution von Werten 111
- 5.3.2 Scheinprobleme in der Philosophie ( 1928b ) 120
- 5.3.3 „Wissenschaft und Leben“ ( 1929b ) 123
- 5.3.4 „Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“ ( 1931/32 ) 129
- 5.3.5 „Theoretische Fragen und praktische Entscheidungen“ ( 1934a ) 133
- 5.3.6 Philosophy and Logical Syntax ( 1935 ) 136
- 5. 3. 7 Carnaps moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 138
- 5.3.8 Carnaps individualistischer Dezisionismus und die Lebenspraxis 141
- 5.3.9 Möglichkeiten und Grenzen der Ethik 148
- 5.4 Spätphase : Optative 149
- 5.5 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 160
- 6. Karl Menger : Mathematische Modelle für ein verträgliches Zusammenleben 163
- 6.1 Einleitung 163
- 6.2 Mengers Logik der Sitten 168
- 6.3 Mengers Moralauffassung 177
- 6.3.1 Moral 1. und 2. Stufe , Basismoralen 177
- 6.3.2 Sinn und Zweck der / einer Moral 177
- 6.3.3 Kritik am Kategorischen Imperativ 179
- 6.3.4 Mengers Konzeption der Moralsprache : Semantischer Nonkognitivismus 180
- 6.3.5 Moralische Erkenntnis : Fundamentaler Nonkognitivismus und systemimmanenter Kognitivismus 182
- 6.4 Mengers Ethikverständnis 186
- 6.5 Menger und die Angewandte Ethik 193
- 6.6 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 194
- 7. Otto Neurath : Moral auf der Grundlage gemeinsam beschlossener humanistischer Lebensgrundsätze und Ethik in der Einheitswissenschaft 196
- 8. Philipp Frank : Pragmatische Ethik und relativierte Moral 251
- 9. Moritz Schlick : Eudämonistische Ethik als Weisheitslehre 265
- 10. Victor Kraft : Zwei-Komponenten-Kognitivismus und rationale Moralbegründung 332
- 10.1 Einleitung 332
- 10.2 Krafts moralische und ethische Auffassungen in der Wiener-Kreis-Periode 337
- 10.3 Krafts moralische und ethische Auffassungen nach der Wiener-Kreis-Periode 371
- 10.3.1 Moralbegründung auf Grundlage der Kultur : Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre , 2. Auflage ( 1951 ) 371
- 10.3.2 Moralbegründung auf Grundlage natürlicher Ziele : Rationale Moralbegründung ( 1963 ) 374
- 10.3.3 Moralbegründung auf der Grundlage primärer Strebensziele : Die Grundlagen der Erkenntnis und der Moral ( 1968 ) 377
- 10.4 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 383
- 11. Herbert Feigl : Pragmatische Moralbegründung 387
- 12. Systematische Zusammenfassung und allgemeine Schlussbemerkungen 402
- 12.1 Mangelndes Interesse an Moral als Menschen und Bürgerinnen oder Bürger 402
- 12.2 Geteilte moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 403
- 12.3 Differenzierungen in den Moralkonzeptionen 404
- 12.4 Differenzierungen in den Ethikkonzeptionen 409
- 12.5 Ausblick auf zukünftige Forschung 412
- 12.6 Allgemeine Schlussbemerkungen 413
- Literatur 417
- Abkürzungen 440
- Bildquellennachweis 440
- Personenregister 441