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11.2 Feigls Auffassung von Moral und Ethik
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It would be outright impossible if it were not for a fairly large measure of lawful determi-
nation of human volition and action. Only if we are the doers of our deeds , i. e. , only if our
deliberations , intentions , decisions , etc. are causal consequences of our characters and per-
sonalities ( and are not forced upon us by external or internal compulsion ), can we be just-
ly considered praiseworthy or blameworthy for whatever we will or do. ( Feigl 1974 [ 1981 , 18 ])
11.2.3 Feigls Auffassung von Ethik
Ganz in Übereinstimmung mit der Standardauffassung der logisch-empiristischen Ethik
lässt sich laut Feigl wissenschaftlich erforschen , welche Ideale und Wertvorstellungen ver-
schiedene menschliche Gemeinschaften wie Stämme , Nationen , Sekten , Klassen usw. ge-
genwärtig und in der Vergangenheit ausgebildet haben. Es können somit anthropologische
und historische Kenntnisse gewonnen werden. Des Weiteren können Fragen zur Gene-
se dieser Überzeugungen beantwortet werden. Die Wissenschaft kann „eine versuchswei-
se Erklärung für den Ursprung und die Entwicklung dieser Normen und Bestrebungen“
angeben. ( Feigl 1965 , 115 ) Sie kann auch Verträglichkeiten und Unverträglichkeiten von
Wertungen feststellen und Vorschläge zur Harmonisierung unterbreiten. ( Feigl 1949 [ 1981 ,
376 ]) Zudem kann Wissenschaft generell im Sinne des wissenschaftlichen Humanismus
Mittel zur Weltverbesserung zur Verfügung stellen :
True enough , in many of the urgent issues that confront us , we do not possess enough sci-
entific knowledge to warrant a course of action. This means that we have to act , as so often
in life , on the highest probabilities available even if these probabilities be low in them selves.
But such estimates of probabilities will still be made most reliable by the scientific method.
[ … ] Cooperative planning on the basis of the best and fullest knowledge available is the only
path left to an awakened humanity that has embarked on the adventure of science and civi-
lization. ( Feigl 1949 [ 1981 , 376 f. ])
Die wissenschaftliche Wahrheit selbst sei aber moralisch neutral. ( U. a. Feigl 1961 , 16 )
Feigl setzt Philosophie und Wissenschaft weder gleich noch tritt er für eine ( Selbst- )
Auflösung der Philosophie ein , obwohl er 1974 noch bekundet , die Philosophie für ein
fragwürdiges Unternehmen zu halten :
After half a century of studies , searchings and reflections , philosophy still strikes me as a
highly questionable enterprise. The Scylla of absurdity and the Charybdis of triviality seem
forever to threaten. ( Feigl 1974 [ 1981 , 1 ])
Wie in anderen Bereichen der Philosophie hält Feigl jedoch auch in der Moralphiloso-
phie – trotz aller Bedenken – eine klare und kohärente Auffassung sowie Analyse für er-
strebenswert und erreichbar. Das Ziel sei , wie schon ähnlich in Feigl ( 1950 [ 1981 , 263 ])
formuliert , fundamentale Annahmen und Vor aussetzungen explizit zu machen und die
Ethik und Moral im Wiener Kreis
Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ethik und Moral im Wiener Kreis
- Untertitel
- Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
- Autor
- Annemarie Siegetsleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79533-9
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 450
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 13
- 2. Terminologische Klärungen 37
- 3. Moral und Ethik im Wiener Kreis und die Standardauffassung logisch- empiristischer Ethik 52
- 4. Das kulturelle Umfeld des politischen und moralischen Engagements 67
- 5. Rudolf Carnap : Individualistischer Dezisionismus und wissenschaftlicher Humanismus 89
- 5.1 Einleitung 89
- 5.2 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik vor der Wiener-Kreis-Periode 92
- 5.3 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik in der Wiener-Kreis-Periode 111
- 5.3.1 Der logische Aufbau der Welt ( 1928a ) und die Konstitution von Werten 111
- 5.3.2 Scheinprobleme in der Philosophie ( 1928b ) 120
- 5.3.3 „Wissenschaft und Leben“ ( 1929b ) 123
- 5.3.4 „Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“ ( 1931/32 ) 129
- 5.3.5 „Theoretische Fragen und praktische Entscheidungen“ ( 1934a ) 133
- 5.3.6 Philosophy and Logical Syntax ( 1935 ) 136
- 5. 3. 7 Carnaps moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 138
- 5.3.8 Carnaps individualistischer Dezisionismus und die Lebenspraxis 141
- 5.3.9 Möglichkeiten und Grenzen der Ethik 148
- 5.4 Spätphase : Optative 149
- 5.5 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 160
- 6. Karl Menger : Mathematische Modelle für ein verträgliches Zusammenleben 163
- 6.1 Einleitung 163
- 6.2 Mengers Logik der Sitten 168
- 6.3 Mengers Moralauffassung 177
- 6.3.1 Moral 1. und 2. Stufe , Basismoralen 177
- 6.3.2 Sinn und Zweck der / einer Moral 177
- 6.3.3 Kritik am Kategorischen Imperativ 179
- 6.3.4 Mengers Konzeption der Moralsprache : Semantischer Nonkognitivismus 180
- 6.3.5 Moralische Erkenntnis : Fundamentaler Nonkognitivismus und systemimmanenter Kognitivismus 182
- 6.4 Mengers Ethikverständnis 186
- 6.5 Menger und die Angewandte Ethik 193
- 6.6 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 194
- 7. Otto Neurath : Moral auf der Grundlage gemeinsam beschlossener humanistischer Lebensgrundsätze und Ethik in der Einheitswissenschaft 196
- 8. Philipp Frank : Pragmatische Ethik und relativierte Moral 251
- 9. Moritz Schlick : Eudämonistische Ethik als Weisheitslehre 265
- 10. Victor Kraft : Zwei-Komponenten-Kognitivismus und rationale Moralbegründung 332
- 10.1 Einleitung 332
- 10.2 Krafts moralische und ethische Auffassungen in der Wiener-Kreis-Periode 337
- 10.3 Krafts moralische und ethische Auffassungen nach der Wiener-Kreis-Periode 371
- 10.3.1 Moralbegründung auf Grundlage der Kultur : Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre , 2. Auflage ( 1951 ) 371
- 10.3.2 Moralbegründung auf Grundlage natürlicher Ziele : Rationale Moralbegründung ( 1963 ) 374
- 10.3.3 Moralbegründung auf der Grundlage primärer Strebensziele : Die Grundlagen der Erkenntnis und der Moral ( 1968 ) 377
- 10.4 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 383
- 11. Herbert Feigl : Pragmatische Moralbegründung 387
- 12. Systematische Zusammenfassung und allgemeine Schlussbemerkungen 402
- 12.1 Mangelndes Interesse an Moral als Menschen und Bürgerinnen oder Bürger 402
- 12.2 Geteilte moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 403
- 12.3 Differenzierungen in den Moralkonzeptionen 404
- 12.4 Differenzierungen in den Ethikkonzeptionen 409
- 12.5 Ausblick auf zukünftige Forschung 412
- 12.6 Allgemeine Schlussbemerkungen 413
- Literatur 417
- Abkürzungen 440
- Bildquellennachweis 440
- Personenregister 441