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6.4 Mengers Ethikverständnis
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Frage , was geschehen soll , entweder als Frage darnach auffasse , was gewissen Normen gemäß
sei , oder als Frage , was dem Wunsche des Gefragten oder eines Dritten entspricht.
( Menger 1934a [ 1997 , 121 ])
Der erste Sinn könne bei der Wahl eines Normensystems nicht unterlegt werden , wenn
dem nicht schon ein anderes Normensystem vorausgehe. Also bleibt in dieser Frage nur
die Wahl aufgrund eines Wunsches. ( Menger 1934a [ 1997 , 121 f. ]) Gleichzeit wird hier die
Möglichkeit offen gelassen , die Frage danach , ob beispielsweise eine bestimmte Handlung
geschehen solle im Sinne , ob diese einer gewissen Norm gemäß sei , zu verstehen und sehr
wohl objektiv , wenn auch relativ , beantworten zu können.
Ethik als Disziplin einer wissenschaftlichen Philosophie verfügt nach Menger nicht
über die notwendigen Instrumentarien bzw. die notwendige Autorität , um ( 1 ) das We-
sen von Gut und Böse zu bestimmen , ( 2 ) moralische Normen zu begründen , ( 3 ) ein be-
stimmtes moralisches System vorzuschlagen oder gar zu befehlen oder ( 4 ) irgendwelche
Werturteile abzugeben. ( Menger 1994 , 184 ) Wer dies von der Ethik erwartet und als ihre
zentralen Aufgaben in diesem normativen Unternehmen sieht , für den liegt in Mengers
Position eine Gefährdung der Ethik.
6.4.2 Von Menger anerkannte ethische Problemstellungen
Dennoch will Menger , wie seine Logik der Sitten gezeigt hat , es nicht dabei belassen ,
dass Wissenschaft und Philosophie nur feststellten , was sie alles in Bezug auf moralische
Fragen nicht leisten könnten. Er will nicht bei dieser Ablehnung stehen bleiben , sondern
im Bereich der Moral Positives beitragen. Ethik habe Tatsachen festzustellen und zu ord-
nen. ( Menger 1934a [ 1997 , 121 ]) Für die Wissenschaft und wissenschaftliche Philosophie
in Bezug auf Moral , also Ethik , hält er demnach für möglich :
1. Feststellung von Tatsachen und erfahrungsgemäßen Regelmäßigkeiten in
Moralen ( Psychologie , Soziologie , Anthropologie und Biologie der Sitten )
2. Logik der Sitten :
a. Deontische Logik244
b. Exaktwissenschaftliche Modelle für die moralische Praxis
Wenn sich die Ethik auf diese Aufgaben beschränkt , sei sie ein streng wissenschaftliches
Unternehmen. Anliegen von Reformierenden und Moralisierenden und viele der Themen-
stellungen traditioneller Ethik fänden darin jedoch keinen direkten Platz mehr.
244 Eine Logik der Pflichten in Analogie zu logischen Modalitäten hält er , wie bereits oben erwähnt , für
möglich , doch sei dies nicht das , womit er sich hier beschäftigen wollte. ( Menger 1934a [ 1997 , 114 ]).
Vgl. hingegen Menger 1939.
Ethik und Moral im Wiener Kreis
Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ethik und Moral im Wiener Kreis
- Untertitel
- Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
- Autor
- Annemarie Siegetsleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79533-9
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 450
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 13
- 2. Terminologische Klärungen 37
- 3. Moral und Ethik im Wiener Kreis und die Standardauffassung logisch- empiristischer Ethik 52
- 4. Das kulturelle Umfeld des politischen und moralischen Engagements 67
- 5. Rudolf Carnap : Individualistischer Dezisionismus und wissenschaftlicher Humanismus 89
- 5.1 Einleitung 89
- 5.2 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik vor der Wiener-Kreis-Periode 92
- 5.3 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik in der Wiener-Kreis-Periode 111
- 5.3.1 Der logische Aufbau der Welt ( 1928a ) und die Konstitution von Werten 111
- 5.3.2 Scheinprobleme in der Philosophie ( 1928b ) 120
- 5.3.3 „Wissenschaft und Leben“ ( 1929b ) 123
- 5.3.4 „Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“ ( 1931/32 ) 129
- 5.3.5 „Theoretische Fragen und praktische Entscheidungen“ ( 1934a ) 133
- 5.3.6 Philosophy and Logical Syntax ( 1935 ) 136
- 5. 3. 7 Carnaps moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 138
- 5.3.8 Carnaps individualistischer Dezisionismus und die Lebenspraxis 141
- 5.3.9 Möglichkeiten und Grenzen der Ethik 148
- 5.4 Spätphase : Optative 149
- 5.5 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 160
- 6. Karl Menger : Mathematische Modelle für ein verträgliches Zusammenleben 163
- 6.1 Einleitung 163
- 6.2 Mengers Logik der Sitten 168
- 6.3 Mengers Moralauffassung 177
- 6.3.1 Moral 1. und 2. Stufe , Basismoralen 177
- 6.3.2 Sinn und Zweck der / einer Moral 177
- 6.3.3 Kritik am Kategorischen Imperativ 179
- 6.3.4 Mengers Konzeption der Moralsprache : Semantischer Nonkognitivismus 180
- 6.3.5 Moralische Erkenntnis : Fundamentaler Nonkognitivismus und systemimmanenter Kognitivismus 182
- 6.4 Mengers Ethikverständnis 186
- 6.5 Menger und die Angewandte Ethik 193
- 6.6 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 194
- 7. Otto Neurath : Moral auf der Grundlage gemeinsam beschlossener humanistischer Lebensgrundsätze und Ethik in der Einheitswissenschaft 196
- 8. Philipp Frank : Pragmatische Ethik und relativierte Moral 251
- 9. Moritz Schlick : Eudämonistische Ethik als Weisheitslehre 265
- 10. Victor Kraft : Zwei-Komponenten-Kognitivismus und rationale Moralbegründung 332
- 10.1 Einleitung 332
- 10.2 Krafts moralische und ethische Auffassungen in der Wiener-Kreis-Periode 337
- 10.3 Krafts moralische und ethische Auffassungen nach der Wiener-Kreis-Periode 371
- 10.3.1 Moralbegründung auf Grundlage der Kultur : Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre , 2. Auflage ( 1951 ) 371
- 10.3.2 Moralbegründung auf Grundlage natürlicher Ziele : Rationale Moralbegründung ( 1963 ) 374
- 10.3.3 Moralbegründung auf der Grundlage primärer Strebensziele : Die Grundlagen der Erkenntnis und der Moral ( 1968 ) 377
- 10.4 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 383
- 11. Herbert Feigl : Pragmatische Moralbegründung 387
- 12. Systematische Zusammenfassung und allgemeine Schlussbemerkungen 402
- 12.1 Mangelndes Interesse an Moral als Menschen und Bürgerinnen oder Bürger 402
- 12.2 Geteilte moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 403
- 12.3 Differenzierungen in den Moralkonzeptionen 404
- 12.4 Differenzierungen in den Ethikkonzeptionen 409
- 12.5 Ausblick auf zukünftige Forschung 412
- 12.6 Allgemeine Schlussbemerkungen 413
- Literatur 417
- Abkürzungen 440
- Bildquellennachweis 440
- Personenregister 441