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11.3 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen
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11.3 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen
Feigl bestimmt die Moral inhaltlich und versteht unter einer solchen ein System mit den
Prinzipien der Gerechtigkeit , der Güte , der Brüderlichkeit , der Freiheit , der Liebe und
der Selbstvervollkommnung als Grundnormen. ( Feigl 1974 [ 1981 , 19 ]) Moralische Nor-
men , die nicht selbst zu den Grundnormen zählen , können wie andere Normen auch in-
nerhalb eines solchen Systems logisch begründet werden. Feigl spricht bei dieser Form
logischer Begründung von „validation“. Für die Grundnormen selbst steht dieses Begrün-
dungsverfahren nicht zur Verfügung. Hier kann nur eine pragmatisch-instrumentelle Be-
gründung , die Feigl „vindication“ nennt , zur Anwendung kommen.
Nach Feigls Analyse werden die von ihm genannten Grundnormen der Moral dadurch
pragmatisch begründet , dass durch deren Befolgung die Bedürfnisse und Interessen aller
Menschen befriedigt würden. Er geht hierbei von einer einheit lichen menschlichen Na-
tur aus , auf deren Basis gleiche menschliche Zwecke verfolgt werden. Hofft er 1952 auf
eine Angleichung in dieser Hinsicht , so nimmt er 1969 die gemeinsame Natur als bereits
gegeben an. Zweifel daran bestünden nur , weil nicht tief genug danach gegraben würde.
Belege hierfür kann Feigl jedoch nicht vorbringen.
Feigls Begründung greift nicht auf übernatürliche Instanzen zurück und wird von ihm
selbst deshalb als naturalistisch charakterisiert. Einen Sein-Sollen-Fehlschluss begeht
Feigl insofern nicht , als er letztlich mit einem aufgeklärten Selbstinteresse argumentiert ,
das die Akzeptanz der Grundprinzipien sichern soll.
Die Wissenschaft könne für die moralischen Normen Erklärungen für deren Ursprung
und Entwicklung anbieten sowie Verträglichkeiten und Unverträglichkeiten von Wertun-
gen feststellen und Möglichkeiten zur Harmonisierung vorschlagen. Nicht zuletzt könne
Wissenschaft Mittel zur Weltverbesserung zur Verfügung stellen. Es ist Feigl , der bereits
1949 von einem wissenschaftlichen Humanismus spricht , der in Philosophie und Erzie-
hung die Maxime bilden soll.
dung der normativen Grundnormen eine Rolle , wenn auch nicht in der Festsetzung der letzten Zie-
le. Inwiefern die Wissenschaft selbst Werte braucht , ist eine andere Frage.
Ethik und Moral im Wiener Kreis
Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ethik und Moral im Wiener Kreis
- Untertitel
- Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
- Autor
- Annemarie Siegetsleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79533-9
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 450
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 13
- 2. Terminologische Klärungen 37
- 3. Moral und Ethik im Wiener Kreis und die Standardauffassung logisch- empiristischer Ethik 52
- 4. Das kulturelle Umfeld des politischen und moralischen Engagements 67
- 5. Rudolf Carnap : Individualistischer Dezisionismus und wissenschaftlicher Humanismus 89
- 5.1 Einleitung 89
- 5.2 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik vor der Wiener-Kreis-Periode 92
- 5.3 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik in der Wiener-Kreis-Periode 111
- 5.3.1 Der logische Aufbau der Welt ( 1928a ) und die Konstitution von Werten 111
- 5.3.2 Scheinprobleme in der Philosophie ( 1928b ) 120
- 5.3.3 „Wissenschaft und Leben“ ( 1929b ) 123
- 5.3.4 „Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“ ( 1931/32 ) 129
- 5.3.5 „Theoretische Fragen und praktische Entscheidungen“ ( 1934a ) 133
- 5.3.6 Philosophy and Logical Syntax ( 1935 ) 136
- 5. 3. 7 Carnaps moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 138
- 5.3.8 Carnaps individualistischer Dezisionismus und die Lebenspraxis 141
- 5.3.9 Möglichkeiten und Grenzen der Ethik 148
- 5.4 Spätphase : Optative 149
- 5.5 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 160
- 6. Karl Menger : Mathematische Modelle für ein verträgliches Zusammenleben 163
- 6.1 Einleitung 163
- 6.2 Mengers Logik der Sitten 168
- 6.3 Mengers Moralauffassung 177
- 6.3.1 Moral 1. und 2. Stufe , Basismoralen 177
- 6.3.2 Sinn und Zweck der / einer Moral 177
- 6.3.3 Kritik am Kategorischen Imperativ 179
- 6.3.4 Mengers Konzeption der Moralsprache : Semantischer Nonkognitivismus 180
- 6.3.5 Moralische Erkenntnis : Fundamentaler Nonkognitivismus und systemimmanenter Kognitivismus 182
- 6.4 Mengers Ethikverständnis 186
- 6.5 Menger und die Angewandte Ethik 193
- 6.6 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 194
- 7. Otto Neurath : Moral auf der Grundlage gemeinsam beschlossener humanistischer Lebensgrundsätze und Ethik in der Einheitswissenschaft 196
- 8. Philipp Frank : Pragmatische Ethik und relativierte Moral 251
- 9. Moritz Schlick : Eudämonistische Ethik als Weisheitslehre 265
- 10. Victor Kraft : Zwei-Komponenten-Kognitivismus und rationale Moralbegründung 332
- 10.1 Einleitung 332
- 10.2 Krafts moralische und ethische Auffassungen in der Wiener-Kreis-Periode 337
- 10.3 Krafts moralische und ethische Auffassungen nach der Wiener-Kreis-Periode 371
- 10.3.1 Moralbegründung auf Grundlage der Kultur : Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre , 2. Auflage ( 1951 ) 371
- 10.3.2 Moralbegründung auf Grundlage natürlicher Ziele : Rationale Moralbegründung ( 1963 ) 374
- 10.3.3 Moralbegründung auf der Grundlage primärer Strebensziele : Die Grundlagen der Erkenntnis und der Moral ( 1968 ) 377
- 10.4 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 383
- 11. Herbert Feigl : Pragmatische Moralbegründung 387
- 12. Systematische Zusammenfassung und allgemeine Schlussbemerkungen 402
- 12.1 Mangelndes Interesse an Moral als Menschen und Bürgerinnen oder Bürger 402
- 12.2 Geteilte moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 403
- 12.3 Differenzierungen in den Moralkonzeptionen 404
- 12.4 Differenzierungen in den Ethikkonzeptionen 409
- 12.5 Ausblick auf zukünftige Forschung 412
- 12.6 Allgemeine Schlussbemerkungen 413
- Literatur 417
- Abkürzungen 440
- Bildquellennachweis 440
- Personenregister 441