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12. Systematische Zusammenfassung und allgemeine Schlussbemerkungen
412 Systems. Wo die Moral nur mit der Wahl letzter Werte für die individuelle Lebensfüh-
rung befasst gesehen wird , steht keines von beidem zur Verfügung.
12.5 Ausblick auf zukünftige Forschung
Nur am Rande oder gar nicht berücksichtigt wurden in der vorliegenden Untersuchung
die Arbeiten von ( in alphabetischer Reihenfolge ) Juhos , Kaufmann , von Mises , Waismann
und Zilsel. Der Hauptgrund hierfür liegt darin , dass es mir darum ging , das im Wiener
Kreis vertretene Spektrum an Ethik- und Moralkonzeptionen aufzuzeigen und mich auf
jene ( unkontroversen ) Mitglieder zu konzentrieren , die sich hierzu zur Zeit des histo-
rischen Wiener Kreises ausführlich äußerten. Eine scharfe Grenzziehung konnte indes
nicht vorgenommen werden.
Juhos dissertierte bei Schlick mit der Arbeit „Inwieweit ist Schopenhauer der Kant’schen
Ethik gerecht geworden ?“ und veröffentlichte in der zweiten Hälfte der 1930er-Jahre im
Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie zwei Aufsätze , die mit der vorliegenden Unter-
suchung in thematischem Zusammenhang stehen : „Über ‚juristische‘ und ‚ethische‘ Frei-
heit“ ( 1935 /36 ) sowie „Historische Formen indeterministischer Systeme in der Ethik. Ihr
logischer und psychologischer Gehalt“ ( 1937/38 ). Erst im Jahre 1956 folgte die Monogra-
fie Das Wertgeschehen und seine Erfassung. Für weiterführende Untersuchungen wären die-
se Beiträge durchaus von Interesse.
Kaufmann , der in Bergmanns Erinnerung regelmäßiger Besucher der Treffen war , aber
selten sprach ( Bergmann 1936 [ 2006 , 647 ]), beschäftigte sich u. a. mit rechtsphilosophi-
schen Themen und der Methodenlehre der Sozialwissenschaften , die durchaus in die The-
matik der vorliegenden Untersuchung hineinreichen. Diese setzen hingegen einen ande-
ren Schwerpunkt , sodass eine Behandlung von Beiträgen Kaufmanns in diesem Rahmen
zu weit vom Thema weg geführt hätte.
Was den Mathematiker und Techniker von Mises betrifft , so hat dieser die hier interes-
sierende Thematik nur am Rande behandelt. In einer ergänzenden Unter suchung wäre je-
doch auf den letzten Abschnitt „Verhaltensweisen“ aus von Mises’ Schrift Kleines Lehrbuch
des Positivismus. Einführung in die empiristische Wissenschaftsauffassung ( 1939 ) einzugehen.
Selbiges gilt für Beiträge von Waismann. Er hielt 1938 einen Vortrag über Ethik und
Wissenschaft und verfasste in den 1940er-Jahren einen Text über Willensfreiheit. Beide
wurden 1983 von Joachim Schulte unter dem Titel Wille und Motiv veröffentlicht.
Zilsel wiederum , dessen Zugehörigkeit zum Kreis immer wieder infrage steht , publi-
zierte während seiner Wiener-Kreis-Periode nichts für die Thematik dieser Untersuchung
direkt Relevantes. Damit schließe ich jedoch nicht aus , dass eine eingehende Untersu-
chung seiner anderen Werke aufschlussreiche Ergebnisse zeitigen könnte. Insbesondere
denke ich hierbei an das letzte Kapitel der Geniereligion ( 1918 ), in dem Zilsel , wie in der
Einleitung erwähnt , das Ideal der Sache als alleinigen absoluten Wert vertritt. Zu unter-
Ethik und Moral im Wiener Kreis
Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ethik und Moral im Wiener Kreis
- Untertitel
- Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
- Autor
- Annemarie Siegetsleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79533-9
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 450
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 13
- 2. Terminologische Klärungen 37
- 3. Moral und Ethik im Wiener Kreis und die Standardauffassung logisch- empiristischer Ethik 52
- 4. Das kulturelle Umfeld des politischen und moralischen Engagements 67
- 5. Rudolf Carnap : Individualistischer Dezisionismus und wissenschaftlicher Humanismus 89
- 5.1 Einleitung 89
- 5.2 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik vor der Wiener-Kreis-Periode 92
- 5.3 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik in der Wiener-Kreis-Periode 111
- 5.3.1 Der logische Aufbau der Welt ( 1928a ) und die Konstitution von Werten 111
- 5.3.2 Scheinprobleme in der Philosophie ( 1928b ) 120
- 5.3.3 „Wissenschaft und Leben“ ( 1929b ) 123
- 5.3.4 „Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“ ( 1931/32 ) 129
- 5.3.5 „Theoretische Fragen und praktische Entscheidungen“ ( 1934a ) 133
- 5.3.6 Philosophy and Logical Syntax ( 1935 ) 136
- 5. 3. 7 Carnaps moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 138
- 5.3.8 Carnaps individualistischer Dezisionismus und die Lebenspraxis 141
- 5.3.9 Möglichkeiten und Grenzen der Ethik 148
- 5.4 Spätphase : Optative 149
- 5.5 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 160
- 6. Karl Menger : Mathematische Modelle für ein verträgliches Zusammenleben 163
- 6.1 Einleitung 163
- 6.2 Mengers Logik der Sitten 168
- 6.3 Mengers Moralauffassung 177
- 6.3.1 Moral 1. und 2. Stufe , Basismoralen 177
- 6.3.2 Sinn und Zweck der / einer Moral 177
- 6.3.3 Kritik am Kategorischen Imperativ 179
- 6.3.4 Mengers Konzeption der Moralsprache : Semantischer Nonkognitivismus 180
- 6.3.5 Moralische Erkenntnis : Fundamentaler Nonkognitivismus und systemimmanenter Kognitivismus 182
- 6.4 Mengers Ethikverständnis 186
- 6.5 Menger und die Angewandte Ethik 193
- 6.6 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 194
- 7. Otto Neurath : Moral auf der Grundlage gemeinsam beschlossener humanistischer Lebensgrundsätze und Ethik in der Einheitswissenschaft 196
- 8. Philipp Frank : Pragmatische Ethik und relativierte Moral 251
- 9. Moritz Schlick : Eudämonistische Ethik als Weisheitslehre 265
- 10. Victor Kraft : Zwei-Komponenten-Kognitivismus und rationale Moralbegründung 332
- 10.1 Einleitung 332
- 10.2 Krafts moralische und ethische Auffassungen in der Wiener-Kreis-Periode 337
- 10.3 Krafts moralische und ethische Auffassungen nach der Wiener-Kreis-Periode 371
- 10.3.1 Moralbegründung auf Grundlage der Kultur : Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre , 2. Auflage ( 1951 ) 371
- 10.3.2 Moralbegründung auf Grundlage natürlicher Ziele : Rationale Moralbegründung ( 1963 ) 374
- 10.3.3 Moralbegründung auf der Grundlage primärer Strebensziele : Die Grundlagen der Erkenntnis und der Moral ( 1968 ) 377
- 10.4 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 383
- 11. Herbert Feigl : Pragmatische Moralbegründung 387
- 12. Systematische Zusammenfassung und allgemeine Schlussbemerkungen 402
- 12.1 Mangelndes Interesse an Moral als Menschen und Bürgerinnen oder Bürger 402
- 12.2 Geteilte moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 403
- 12.3 Differenzierungen in den Moralkonzeptionen 404
- 12.4 Differenzierungen in den Ethikkonzeptionen 409
- 12.5 Ausblick auf zukünftige Forschung 412
- 12.6 Allgemeine Schlussbemerkungen 413
- Literatur 417
- Abkürzungen 440
- Bildquellennachweis 440
- Personenregister 441