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II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration
60 Widersprüchliche Angaben finden sich in den Quellen hinsichtlich der Frage , wes-
halb es überhaupt zur Transformation von Altherrenstammtischen in aktive , sich per-
sonell reproduzierende Bünde ( und damit zu einer Existenzsicherung des völkischen
Verbindungswesens über das Jahr 1945 hinaus ) kam. Karl Heinz Marauschek ( Alle-
mannia Graz ) zufolge waren Nachkriegs-Studenten die treibende Kraft hinter dem
Wiederaufleben des völkischen Verbindungswesens : Ein „Teil der letzten Frontgene-
ration“ sei mit dem Begehr an Alte Herren herangetreten , an der in den Korporatio-
nen gepflegten „Männerfreundschaft“ teilzuhaben ; die Alten Herren hätten sich so-
dann ihrer „Pflicht“ besonnen und ihren Bünden neues Leben eingehaucht.83 Diese
Darstellung der Nachkriegsstudentenschaft als Motor der verbindungsstudentischen
Restauration , die sich ähnlich auch an anderen Stellen findet84 , wird von den Quellen
in Summe jedoch nicht gedeckt.
Nachwuchsrekrutierung
Tatsächlich scheint bei der Wiedererrichtung von Bünden die Initiative der Alten
Herren selbst den Regelfall dargestellt zu haben. In Burschenschafts-interner Korre-
spondenz wird von einem „ziemlich allgemein( en )“ Streben der älteren Korporierten-
generation berichtet , „eine Verbindung zur heutigen akad. Jugend zu finden“.85 Ver-
bindungschroniken erzählen vom hingebungsvollen Bemühen Alter Herren um die
Wiedererrichtung ihrer Bünde , die sich angesichts offenbar spärlichen Interesses der
Studentenschaft alles andere als einfach gestaltete – ob im Osten ( „Schwer war es für
den Neubeginn Jugend zu finden.“86 ) oder Westen ( „Die Hauptschwierigkeit bestand
darin , die erforderlichen Aktiven zu gewinnen. Auch die übrigen , früher auf Innsbrucker
Boden bestandenen freiheitlichen Bünde hatten mit den gleichen Schwierigkeiten zu
kämpfen.“87 ). In Innsbruck verlief die Rekrutierung studierender Mitglieder so schlep-
pend , dass die vier lokalen Traditionsburschenschaften ( bzw. deren Altherrenverbände )
im April 1951 den Beschluss fassten , gemeinsam eine einzige „neue Jungburschenschaft
ins Leben ( zu ) rufen“, aus der bei Erreichen einer bestimmten Größe nach und nach
weitere Aktivitates hervorgehen sollten ; auch dieser Ansatz erwies sich jedoch als un-
geeignet , den erhofften Nachwuchs anzuziehen , und verlief „bald wieder im Sande“.88
83 Zit. in Der freiheitliche Akademiker Nr. 3 / 1951 [ Dezember ], 7 f.
84 Vgl. Amberger 1955 , 117 ; Suevia 1958 , 109 ; BAK , DB 9 , B. VI.15 [ A ], Rede Hans Menzels am Stiftungs-
fest des Akademikerverbandes Salzburg vom 9. 5. 1953 , 3.
85 BAK , DB 9 , B. VI.15 [ A ], Brief Wilfried von Hornbergs an Sigurd Weyringer vom 2. 12. 1950 ( Ab-
schrift ), 1.
86 Alemannia 1962 , 23 ; vgl. auch Teutonia 1968 , 102.
87 Suevia 1958 , 105.
88 Ebd., 106 bzw. 107.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619