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II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration
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einer Phase der Öffnung zwischen etwa 1965 und 1975 – durchaus „Bereitschaft ( be-
stand ), abweichende Meinungen für diskussionswürdig zu halten“.335 In dieser Phase
deutet sich auch erstmals ein Generationenkonflikt an , dessen offener Ausbruch aber
( wie auch in späteren Fällen ) unterblieb. Der Sängerschafter Friedhelm Frischenschla-
ger , der zu jener Zeit studierte , erwähnt , dass die „Auseinandersetzung mit der NS-Ver-
gangenheit“ unter deutschnationalen Korporierten seiner Generation „eine große Rolle
gespielt“ habe. Sie sei von einer Haltung der „Loyalität zur Kriegsgeneration“ geprägt
gewesen , welche die ( moderaten ) Verbindungsstudenten vom Nationalsozialismus als
solchem abzuspalten versucht hätten.336 Die Loyalität zog sich durch verschiedene Ebe-
nen : In der Familie galt sie den Vätern , in der Korporation – entsprechend dem Le-
bensbundprinzip
– den Alten Herren , in der ( Freiheitlichen ) Partei
– auf der Basis von
Corpsgeist bzw. Lagerbewusstsein – der Gründergeneration.
Nichtsdestotrotz waren unterschiedliche Standpunkte Scheichl zufolge sogar auf
Funktionärsebene anzutreffen : So war jener Innsbrucker Germane , der ihn als Redner
nach Linz eingeladen hatte und „mit der Provokation einverstanden war“ – Wolfgang
Lindinger
– zu jener Zeit Obmann der Linzer Ortsgruppe des Freiheitlichen Akademi-
kerverbandes.337 Selbst Aula-Schriftleiter Adalbert Aigner ( Germania Graz ) habe Mitte
der 1960er-Jahre „zu später Stunde in kleinem Kreis darüber Klage geführt , er dürfe
nicht einmal eine Teilschuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg erwähnen“. Damit
habe er sich gegen die „ideologische Tyrannei der in den Akademikerverbänden maß-
gebenden Dr. Timmel ( Corps Hilaritas , dann Saxonia [ beide Wien , Anm. B. W. ]) und
Dr. Hanss ( Burschenschaft Arminia-Graz )“ gewandt.338 Folgt man dieser Darstellung ,
so konnte selbst der Inhaber eines für das völkische Korporationswesen in Österreich
335 E-Mail von Sigurd Scheichl vom 10. 2. 2012. Scheichl weist darauf hin , dass zum Zeitpunkt seiner Rede
auch im RFS Aufbruchstimmung herrschte und auf Ebene der Korporationen erstmals über eine Re-
form der Ehrenordnungen diskutiert wurde ( E-Mail vom 11. 2. 2012 ).
336 Interview vom 11. 12. 2009. Frischenschlager wirkte zwischen 1983 und 1986 als Verteidigungsminister für
die FPÖ und beteiligte sich 1993 an der Abspaltung des Liberalen Forums ( LiF ) aus selbiger.
337 E-Mail von Sigurd Scheichl vom 10. 2. 2012.
338 E-Mail von Sigurd Scheichl vom 11. 2. 2012. Roland Timmel war langjähriger Obmann des Freiheitli-
chen Akademikerverbandes für Wien , Niederösterreich und das Burgenland. Karl Hanss ( in den Quellen
tlw. auch als „Hanß“ geführt ) übte selbige Funktion für den steirischen FAV aus. Eine plastische Vor-
stellung von Hanss’ Weltsicht vermittelt sein Beitrag zur DB-‚Geschichtsbild‘-Diskussion , der an die
Burschenschaftlichen Blätter gesandt , von diesen aber nicht veröffentlicht worden war. Der FAV-Funk-
tionär wertet darin die bloße Existenz einer solchen Debatte als Indiz dafür , dass „sogar in burschen-
schaftlichen Kreisen schon jene überstaatlichen Mächte Einfluß gewinnen , deren Wirken wir , wie wir
heute wissen , die Auslösung der beiden Weltkriege mit dem ausdrücklichen Ziel der Vernichtung des
deutschen Volkes als gefährlichsten Wettbewerbers und noch gefährlicheren Trägers des faustischen Er-
kenntnisdranges zu danken haben. Dieselben Mächte sind nun an der Arbeit , unseren Geist möglichst
zu verwirren , um Uneinigkeit und Zwietracht zu schaffen und uns so leichter endgültig erledigen zu
können.“ ( Kartellnachrichten Nr. 10 / 1957 [ August ], 7 )
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619