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III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen
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richtete sich ihre Kritik gegen das ihrer Meinung nach ausufernde Hatz- und Contraha-
gewesen , das sie als „Mittel zur verschleierten Bereinigung von Ehrenhändeln“ charak-
terisierten.79 Die Ehrenordnung erklärten sie u. a. zur Fahnenfrage , da sie ihnen kenn-
zeichnend für die Selbstgenügsamkeit und Reformunwilligkeit der Burschenschaften in
Österreich nach 1945 erschien und „ein Wirken nach außen“ verhindere.80
Einen wahren Politisierungsschub löste zumindest mancherorts im burschenschaft-
lichen Lager das Erstarken der studentischen Linken an den deutschen und österreichi-
schen Hochschulen ab den späten 1960er-Jahren aus.81 Der antikommunistische ‚Kampf
um die Hochschule‘ bot sich in mehrfacher Hinsicht als neue sinnstiftende Mission an :
Er eignete sich vortrefflich zur emotionalen Aufladung , war eng mit der Lebenswelt
der Aktiven verknüpft und schien nichtsdestotrotz
– vor dem Hintergrund des Kalten
Krieges , des Pariser Mai von 1968 und des Verbalradikalismus manch linker Gruppie-
rung jener Zeit
– zugleich eine geradezu welthistorische Dimension aufzuweisen. Zu-
sätzlich mit Bedeutung aufgeladen wurde die universitäre Konfliktkonstellation durch
den Umstand , dass Burschenschafter selbst noch in progressiv-katholischen Gruppie-
rungen schnell den Bolschewismus am Werke sahen.82 In der Konfrontation mit die-
sem schien die nagende Frage nach der eigenen Daseinsberechtigung als politische
Studentenbünde nun die ersehnte positive Antwort zu finden. Entsprechend breiten
Raum nahm in den 1970er-Jahren die ( teils von offenkundiger Faszination getragene )
Auseinandersetzung mit dem intellektuell dynamischen und in seinen Aktionsformen
innovativen linken Feindbild in den Aktivitäten vieler Einzelbünde , aber auch der DB
ein.83 In Publikationen , Seminaren und Vortragsveranstaltungen bemühte man sich
um ein Kennenlernen des Gegenübers und die Erarbeitung von Konzepten und Stra-
tegien , ihm Paroli zu bieten.84
Forciert wurde diese Linie in der DB wie auch auf Wiener Ebene nicht zuletzt von den
Oberösterreicher Germanen , die sich durchaus bereit zeigten , zugunsten der Feind analyse ,
79 Oberösterreicher Germanen 1967 , 162. Hatzen ( zwischen zwei Verbindungen ) und Contrahagen ( zwi-
schen zwei einzelnen Korporierten ) sind Formen der Mensur.
80 Ebd., 163. Vgl. zur Ehrenordnungsdebatte Abschnitt III.5.4 sowie zur Einschätzung der Hatzen und Con-
trahagen den Exkurs zum Duellwesen ebendort.
81 Vgl. Pawkowicz 1974 , 2 f. ; AVSt , Burschenschaftliche Gemeinschaft 1976 , 17 ; Weidinger 2010 , 159 f. ; so-
wie Kapitel IV.2.6.
82 Vgl. Weidinger 2010 , v. a. 165–167.
83 Angesichts Tausender „fanatische( r ) kommunistischer Akademiker“, die in den kommenden Jahren die
deutschen Hochschulen als Professoren , Journalisten , Richter u. a. verlassen würden , müsse – so der
Festredner am Kommers des DB-Burschentages 1974 – sich „selbst ein Verband politisieren ( … ), der
nicht die großartige Geschichte der Burschenschaft hätte“ ( paraphrasiert von Gugerbauer , dieser zit. n.
Oberösterreicher Germanen 1994 , 41 ).
84 Vgl. etwa die Arbeitsunterlagen zum DB-Burschentag 1975 , 10 u. 12 sowie 20–24 ; zum DB-Burschentag
1976 , 36 f. ; sowie zum DB-Burschentag 1977 , 6 u. 8 ( alle : BAK , DB 9 , B. VI. Burschentage [ a ]).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619