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III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist
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Bünde an die bundesdeutschen führen würde oder umgekehrt ( vgl. Unterabschnitt
III.4.2 ). In inhaltlichen Fragen präsentierte man sich jedoch als Einheitsfront. „In der
österreichischen Burschenschaft konnte es hinsichtlich des Vaterlandsbegriffes keine
verschiedenen Auffassungen geben. Auch bezüglich der Revision des Geschichtsbildes
gab es
– soweit dies schriftlich oder mündlich zum Ausdruck kam
– nur eine Meinung“,
ist der Liberten-Chronik zu entnehmen.249 1954 hatte Allemannia Graz gar ( erfolglos )
beantragt , dass die österreichischen Bünde am Burschentag der DB geschlossen an ei-
ner Tafel Platz nehmen sollten , um Geschlossenheit zu demonstrieren.250 Mit der Ei-
nigkeit in den eigenen Reihen gaben die Österreicher sich allerdings nicht zufrieden
–
sie wünschten selbige auch für den Gesamtverband. Bekannte man sich mit Blick auf
die österreichische Ehrenordnung , die man einem Zusammenschluss nicht zu opfern
bereit war , noch zur Akzeptabilität „verschiedene( r ) Meinungen bei gleicher Grund-
gesinnung“ innerhalb der DB251 , pochte wie erwähnt v. a. das Ostmarkenkartell umso
stärker auf eine Angleichung von DB und DBÖ als Vorbedingung einer Fusion , je näher
selbige zu rücken schien. Dass der Unterschied zwischen Österreich und Deutschland
nicht nur ein faktischer , sondern auch einer der ( positiven oder negativen ) Bewertung
von Pluralismus war , zeigt demgegenüber die Aussage eines hochrangigen DB-Vertre-
ters am DBÖ-Tag 1961 , wonach es „immer eine Auszeichnung für die DB war , so viele
Strömungen unter einem größeren Nenner zu vereinigen“.252
Als deutliches Indiz für die ideologische Geschlossenheit der Österreicher lässt sich
jenseits bloßer Bekenntnisse die Mitgliedschaft in der Burschenschaftlichen Gemeinschaft
heranziehen. Während die österreichischen Bünde von deren Gründung 1961 an an-
nähernd vollzählig dort vertreten waren , waren die bundesdeutschen Burschenschaf-
ten stets nur zu einem kleineren Teil in der völkisch-fundamentalistischen Vereinigung
organisiert.253 Ein ebenso klares Bild liefert das Verhalten der Österreicher im Rah-
249 Libertas 1967 , 103. Vgl. auch BAK , DB 9 , DB 5627/2 , Zimmermann 1959 , 6 und BAK , DB 9 , E. 4 [ A2 ],
Protokoll des DBÖ-Tages 1960 , 3. Auch in den Burschenschaftlichen Blättern konstatierte ein E. W. ( ver-
mutlich Schriftleiter Ernst Wilhelm Wreden ) die ungleich höhere Meinungskonformität der Österrei-
cher und erklärte sich diese mit der „besondere( n ) Situation“, die sich in Österreich „schon aus der Ab-
wehrstellung des österreichischen Deutschtums von jeher [ sic ] ergäbe“ ( zit. n. Libertas 1967 , 105 ). Vgl.
ferner den Fall der Verbändetagung von DB und DBÖ 1960 , auf der alle 24 österreichischen Bünde sich
bei beiden namentlichen Voten identisch verhielten ( vgl. BAK , DB 9 , B. VI.15 [ B ], Anlage 1 zum Pro-
tokoll der Verbändetagung 1960 , 1–3 ).
250 Vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Protokoll des ADC-Tages 1954 , 22.
251 Vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ B1 ], Anlage 1 zum ADC-Rundschreiben Nr. 7 ( Alemannia ) vom April 1959 , 3. Die
Ehrenordnung stellt jenes Regelwerk dar , nach dem der einzelne Burschenschafter die ‚Reinhaltung‘ sei-
ner ‚Ehre‘ zu bewerkstelligen hat. Die meisten Burschenschaften in Österreich sehen zu diesem Zweck
bis heute u. a. auch das Duell vor ( vgl. dazu den folgenden Unterabschnitt sowie Abschnitt III.5.4 ).
252 BAK , DB 9 , E. 4 [ A2 ], Niederschrift des ( ord. ) DBÖ-Tages 1961 , 9.
253 Zur Entwicklung der BG-Zugehörigkeit seit Gründung des Zusammenschlusses 1961 vgl. Kuhn 2002 ,
214–221.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619