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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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onskritischen Publizistik ) als rechtsextrem , die vermeintlichen Liberalen als die eigent-
lichen Konservativen.
Diese politisch-ideologische Einordnung steht keineswegs im Widerspruch zur Be-
nennung konservativer Aspekte burschenschaftlicher Theorie und Praxis , zumal ich
Rechtsextremismus als Zuspitzung des Konservativen verstehe ( vgl. Kapitel I.5 ). Nicht
zu leugnen , wenn auch von Bund zu Bund unterschiedlich stark ausgeprägt , ist zum
Ersten der burschenschaftliche Strukturkonservatismus ( bund- und verbandsinterne
Hierarchien , Entscheidungs- und Ämterstrukturen , Brauchtum , Soziolekt usw. ), der
an dieser Stelle allerdings von nachrangigem Interesse ist. Dem Strukturkonservatis-
mus entspricht zum Zweiten auch ein Konservatismus auf der Werteebene. Auf das
nicht notwendig vollständige , doch aber tendenzielle Deckungsverhältnis der beiden
respektive die wechselseitige Verstärkung eines Rigorismus in Brauchtums- und ideo-
logischen Fragen sowie im Männlichkeitsbild wurde in Abschnitt III.4.2 bereits hinge-
wiesen. Das burschenschaftliche Wertesystem , von der Trias ‚Ehre , Freiheit , Vaterland‘
über ‚Wehrhaftigkeit‘ als ultimativer Ausweis von Männlichkeit bis hin zum burschen-
schaftlichen Familienbild , folgt in Österreich nach wie vor unverkennbar Vorbildern aus
dem 19. Jahrhundert. So sehr der zuvor angesprochene Erbstreit um die Urburschen-
schaft unterstreicht , dass Begriffe wie ‚Vaterland‘ einer näheren Exegese bedürfen und
daher fortwährender Neuverhandlung unterliegen ( können ), so sehr belegt er auch die
grundsätzlich konservative Disposition seiner Akteure. Wo in ideologischen Debatten
der Verweis auf 1815 als Königsargument dient , die Berechtigung einer Position zu un-
termauern ( und nicht etwa , um eine Position der Gegenseite als Anachronismus aus-
zuweisen ), steht Traditionsbewusstsein auch auf einer inhaltlichen Ebene augenschein-
lich hoch im Kurs. Dass jedenfalls Olympia Wien ihre Grundsätze per Satzung mit
demselben Quorum abgesichert hat , das für eine Selbstauflösung benötigt wird , un-
terstreicht das Ausmaß der fundamentalistisch-burschenschaftlichen Angst vor ‚Auf-
weichung‘ oder ‚Verfälschung‘.337
Den Wertkonservatismus als Allgemeinmerkmal des völkischen Korporationswesens
in Österreich illustriert eine Erläuterung des Österreichischen Pennäler-Rings ( ÖPR ).
Ihr zufolge würde „der eine Burschenschafter“ die Frage , ob er sich als konservativ ver-
stehe , „sofort bejahen , der nächste würde das vielleicht empört von sich weisen“. Über-
einstimmung herrsche im ÖPR jedenfalls darüber , dass man sich positiv auf „kon-
servative Werte“ wie „Ehrlichkeit , Zuverlässigkeit , Leistung , Verantwortungsgefühl ,
Ritterlichkeit“ beziehe. Keinen Konsens gäbe es darüber , ob man sich auch als „ ‚poli-
tisch konservativ‘ “ verstehe.338 Auf die Ebene der akademischen Burschenschaften ( in
Österreich ) zurückkehrend lässt sich ein konservativer Grundkonsens feststellen , auf
337 Vgl. DÖW , Olympia 2006 , 5.
338 http://www.oepr.at/faq ( letzter Zugriff am 30. 1. 2013 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619