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III.6 Selbstbild: Gegen-Elite
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er nicht für dessen Ratifizierung ) verlieh ihm endgültig den Nimbus des kompromiss-
losen Einzelkämpfers.520 Vergleichsweise zurückhaltend umschrieb Wolfgang Lindin-
ger 1958 das Wagnis Studentenverbindung : „Wir haben den Burschenschaftereid ge-
schworen , obwohl wir wußten , daß in unserem Heimatland ein Schmiß nicht gerade
die beste Empfehlung im öffentlichen Leben bedeutet.“521 In jüngeren Jahren fühlten
Burschenschafter , wohl auch im Zuge ihrer wieder häufiger werdenden Bezugnahmen
auf die liberalen Traditionen des Vormärz , sich zunehmend an die Repressalien der bur-
schenschaftlichen Frühphase erinnert. Damit einher ging eine wahre Inflationierung
des Vergleiches , bis hin zur Gleichsetzung der Ära Metternichs mit dem republikani-
schen Österreich um die Jahrtausendwende.522
Stets bildete die Opferpose den Hintergrund für die Herausstellung des eigenen Be-
kennermutes. Der Carl Rabl ( Rektor der Prager Universität 1903/04 ) zugeschriebene
Ausspruch ‚Farbe tragen heißt Farbe bekennen‘ zählt zu den meistzitierten Losungen
im verbindungsstudentischen und insbesondere burschenschaftlichen Schrifttum.523
Im österreichischen Burschenschaftswesen wurde diese Maxime auch nach 1945 hoch-
gehalten. Verwiesen sei etwa auf den in Abschnitt II.3 zitierten Antrag von Alleman-
nia Graz am ADC-Tag 1954 , wonach binnen eines Jahres alle Bünde die Bezeichnung
‚Burschenschaft‘ offiziell zu führen hätten , „da bisher in diese Richtung eventuell be-
520 Faktisch nicht ganz korrekt titelte die Aula in einem Nachruf 1980 : „Einer war dagegen. Dr. Fritz
Stüber zum Staatsvertrag“ ( Aula Nr. 5 / 1980 , 4 f. ). Vgl. zum Stellenwert Stübers als völkische Identifi-
kationsfigur die Einladung zu einer Gedenkveranstaltung der Österreichischen Landsmannschaft ( ÖLM )
zu seinem potenziellen 90. Geburtstag 1993 : „Als kämpferischer Mensch scheute er sich niemals , trotz
persönlich drohender Nachteile , für das einzutreten , was er für politisch richtig und wahr hielt. ( … )
Furchtlos hat er stets seine Stimme erhoben , wenn es galt , die geschichtliche Wahrheit zu vertreten.
( … ) ‚Der Zeit zum Trotz‘ überschrieb er einen seiner Gedichtbände“ ( vgl. Eckartbote Nr. 3e / 1993 ,
o. S. ). Die Formulierung findet sich praktisch wortgleich bereits 15 Jahre zuvor in einem Nachruf auf
Stüber in den Mitteilungen der Stiftung Soziales Friedenswerk Nr. 3 / 1978 [ Juli – September ], 9. Die
Rezension in der Aula würdigte die „herbe( ), holzschnittartige( ) Männlichkeit“ des Autors ( Aula Nr.
2 / 1965 , 34 ). Die Grundsatztreue Stübers wird auch gewürdigt im Eckartboten Nr. 9 / 1978 , 14. ( Sämt-
liche in dieser Fußnote zitierten Medienfunde entstammen dem Bestand BAK , DB 9 , M. Burschen-
schafterlisten/Personalia , Stüber , Fritz. )
521 BAK , DB 9 , E. 4 [ B1 ], Referat am Burschenschaftlichen Schulungskurs 1958 , Beilage zum ADC-Rund-
schreiben Nr. 3 ( Alemannia ) vom November 1958 , 1.
522 Vgl. etwa den Schwerpunkt der Aula Nr. 4 / 1998 ( einschließlich des Beitrages „Metternich lebt wieder“
von Jörg Haider , 14–16 ); Wagner 2009 , 41 ; oder den Bericht vom 4. 7. 2009 über den Linzer ‚Karls bad-
Kommers‘ 2009 auf der Online-Präsenz der Burschenschaftlichen Blätter ( http://www.burschenschaftli-
che-blaetter.de/netzversion/detailansicht/browse/5/meldung/395/190-jahre-k.html ).
523 Vgl. etwa Libertas 1967 , 14 und Teutonia 1968 , 105. Die Festschrift der Wiener Gothen von 1992 zitiert
in inhaltlicher Variation und Zuspitzung des Leitspruches ein Gedicht ihres Bundesbruders Mirko Je-
lusich : „Ihr seid bereit auch , frei euch zu bekennen , / Blieb auch das letzte Ringen nicht erspart“ ( Go-
thia 1992 , 1 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619