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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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terlandsbegriffes‘ – bis heute nicht akzeptieren können.870 Immer wieder kam es zu
Vorstößen für eine Wiedereinführung , u. a. am DB-Burschentag 1977.871 Auch 2003
versuchte Albia , die Mensurverpflichtung für alle Mitgliedsbünde gleichsam durch die
Hintertür wieder einzuführen. Sie begründete ihre Initiative u. a. damit , dass die Men-
sur das „bedingungslose( ) Einstehen für die Gemeinschaft im Bund“ und „die Ge-
wöhnung eines jungen aktiven Mitglieds an die unbedingte Wehrhaftigkeit“ förde-
re.872 Gärtner beschrieb die Mensur schon Jahrzehnte zuvor als Mittel der Erziehung
„nicht ( … ) zum Mut , sondern zur Haltung und als Opfer für die Gemeinschaft“.873
Auf dem Mensurboden beweise der Einzelne , so eine in etwa zeitgleich erschienene
DB-Broschüre , seine „Verbundenheit und Treue zur selbstgewählten Gemeinschaft“.874
Vor diesem Hintergrund musste die Weigerung zu fechten ( vulgo „Mensurflucht“ ) als
zwingender Ausschlussgrund gelten.875 Positiv gewendet , erscheint die bewusste Ge-
fährdung der eigenen physischen Integrität als Voraussetzung , um als zugehörig akzep-
tiert zu werden. Die Mensur versinnbildlicht dadurch , dass die dem Individuum abver-
langte Hingabe eine jedenfalls potenziell totale ist und im Extremfall auch das ‚letzte
Opfer‘ einschließt. „Wird in einem Ritual absichtlich Blut vergossen , so bedeutet das
in der Regel , daß der Wert , zu dessen Ehren das Blut fließt , höher geachtet wird als
das Leben des Blutenden.“876 Das bezeugt auch Mühlwerth , der sich in der Burschen-
schafts-intern kontroversiell diskutierten Duellfrage positiv auf Hitler bezieht : Die-
ser habe den Zweikampf zwischen Offizieren mit der Begründung verboten , „daß de-
ren Leben nicht ihnen selbst , sondern dem Vaterland gehöre“877
– eine Sichtweise , die
Mühlwerth auch noch nach 1945 einen tauglichen Anknüpfungspunkt zur Klärung in-
nerburschenschaftlicher Streitfragen zu liefern schien.
Das Verhältnis von Burschenschaften in Österreich und Demokratie kann in Summe
–
unter Berücksichtigung interner Hierarchien , autoritärer Umgangsformen , männer-
bündischer Verfasstheit , elitaristischer Tendenzen , antiliberaler und antiindividualis-
tischer Positionen und der Infragestellung bis Verneinung des Gleichheitspostulats in
der völkischen Weltsicht – als prekär gelten und war dies über die gesamte burschen-
schaftliche Geschichte hinweg. Auch wenn der burschenschaftliche Mainstream in Ös-
terreich in der Zweiten Republik die Demokratie als Form der Verfasstheit staatlicher
870 Vgl. zur Abschaffung und den vorangegangenen Debatten Kuhn 2002 , 120–129.
871 Vgl. ebd., 145.
872 Antragstext wiedergegeben in PBW , DB-Nachrichtenblatt Nr. 284/2003 , 4.
873 Alemannia 1962 , 26.
874 AVSt , Deutsche Burschenschaft 1961 , 8.
875 Aldania 1994 , 206 ; vgl. auch ebd., 204.
876 Lackner 1989 , 113.
877 Teutonia 1968 , 112. Vgl. dazu auch die Inschrift auf dem Grab des Burschenschafters ( und von Bur-
schenschaftern als Held des Ersten Weltkriegs verehrten ) Walter Flex in Eisenach : „Wer auf die preu-
ßische Fahne schwört hat nichts mehr , was ihm selber gehört.“ ( Zit. n. Schmidt 2000 , 28 , Fehler i. O. )
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619