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IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn
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Beziehungen zwischen den Bünden und den Nachfolgeorganisationen der Schutzver-
eine ( Österreichische Landsmannschaft/ÖLM , Alpenländischer Kulturverband Südmark ,
etc. ) erneuert , wie zahlreiche personelle Überschneidungen und gemeinsame Veran-
staltungen belegen.30 Auch die unter dem Banner der Grenzlandarbeit zur Anwendung
gebrachten Aktionsformen sind bis heute weitgehend unverändert geblieben und wur-
den schon bald nach Wiedergründung der Korporationen wieder aufgenommen. Wie
schon in früheren Jahrzehnten übernahmen Burschenschaften Patenschaften für Orte
im ‚Grenzland‘ ( die sich etwa in Form von Geld- und Bücherspenden an lokale Schu-
len niederschlugen ) oder beteiligten sich an Ernteeinsätzen ebendort.31 Lindinger hebt
insbesondere die Tätigkeiten der Grazer und Leobner Verbindungen „auf dem sozialen
Sektor“ hervor32 , wobei diese sich aus naheliegenden ( geographischen ) Gründen über-
durchschnittlich stark in Kärnten/Koroška und der ( ebenfalls zweisprachigen ) Unter-
steiermark/Spodnja Štajerska engagierten , während die Innsbrucker Bünde vorrangig
dem angrenzenden Südtirol / Alto Adige zugetan waren.
Startpunkt der burschenschaftlichen Grenzlandarbeit nach 1945 war der ADC-Tag
1954. Allemannia Graz berichtete hier über ein Ersuchen des AKV , die Burschenschaf-
ten mögen sich wieder zur Übernahme von Patenschaften im oben erwähnten Sinne ent-
schließen. Wenngleich in der Diskussion die finanzielle und zeitliche Belastung durch
einschlägige Aktivitäten ( vor dem Hintergrund des noch in vollem Gang befindlichen
eigenen Wiederaufbaus ) thematisiert wurde , stellte dem Protokoll zufolge kein einzi-
ger Bund deren grundsätzliche Sinnhaftigkeit , ja Notwendigkeit infrage.33 Ohne Ge-
Ausdruck der zu diesem Zeitpunkt sich etablierenden Dominanz der radikal-völkischen Strömung in-
nerhalb des Burschenschaftswesens in Österreich. Dieser Entwicklung entsprechend , spalteten sich die
das Burschenschaftswesen des ausgehenden 19. Jahrhunderts in Österreich prägenden Schönerianer nach
wenigen Jahren vom Schulverein ( dem zunächst Menschen unterschiedlicher sozialer Schichten , politi-
scher Lager und auch Religion angehörten – vgl. Judson 1991 , 89–93 ) ab und gründeten den antisemiti-
schen Schulverein für Deutsche.
30 Vgl. zur ÖLM Bailer/Neugebauer 1993a , 176–183. Eine regelmäßige Kooperation von ÖLM und WKR
stellt die jährliche ‚Sonnwendfeier‘ am oder um den 21. Juni dar.
31 Auch der Südtirolterror ( als eine militante Sonderform der Grenzlandarbeit ) lässt sich in einer entsprechen-
den Tradition verorten , die eng mit dem waffenstudentischen Topos der ‚Wehrhaftigkeit‘ verknüpft ist. Im
österreichischen Kontext wäre v. a. der ‚Kärntner Abwehrkampf‘ von 1919 zu erwähnen , bei dem Burschen-
schafter ebenfalls zu den Waffen griffen , um ein ihrer Überzeugung nach ‚deutsches‘ Gebiet unter ‚deutscher‘
Herrschaft zu halten. So führte der Südtirolterrorist Norbert Burger ( Olympia Wien ) bei seinem Münchner
Prozess 1970 aus , das Kärntner Beispiel habe ihn zu der Überzeugung geführt , dass auch die Südtirolfrage
nur unter Einsatz von Waffengewalt befriedigend gelöst werden könne ( vgl. die Süddeutsche Zeitung vom
24. 4. 1970 , 13 ). Auch Schweinberger ( 2009 , 107 ) suggeriert , dass eine solche Lösung durch einen ‚Abwehr-
kampf‘ nach Kärntner Vorbild schon im Jahre 1918 gefunden hätte werden können. Zum burschenschaftli-
chen Einsatz an der österreichischen Südgrenze um 1919 vgl. etwa Rosenkranz 2009 , 53–55.
32 Lindinger 2009 , 77.
33 Vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Protokoll des ADC-Tages 1954 , 10. Bereits einleitend hatte der im ADC für
Allemannia den Vorsitz führende Othmar Loibner angemerkt , dass „( ü )ber Sinn und Zweck , Notwen-
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619