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IV. Praxis burschenschaftlicher Politik
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Es sollte rund ein Jahrzehnt dauern , bis solche Tendenzen auch im RFS bzw. ( zwi-
schen 1989 und 1995 ) in der FSI Fuß fassen konnten.303 Den Weg dazu ebnete die
Übernahme des Verbandes durch Olympen 1986 ( vgl. Abschnitt IV.1.3 ). Während die
Freiheitlichen Studenten hochschulpolitische Belange im eigentlichen Sinn zunehmend
vernachlässigten , umfasste ihre Einladungspolitik nun ‚neurechte‘ Denker wie Pierre
Krebs ( Leiter des Thule-Seminars , 1986 und 1990 ), Caspar ( von ) Schrenck-Notzing
( 1990 und 1993 ) oder den ‚Nationalrevolutionär‘ Reinhold Oberlercher ( 1987 ).304 Auch
jenseits des RFS engagierte Olympia einschlägige Intellektuelle wie Bernard Willms
oder Hans-Dietrich Sander für Rednerdienste.305 Ein ‚konservativer Lesekreis‘ der Jun-
gen Freiheit , des Leitorgans der bundesdeutschen ‚Neuen Rechten‘ , traf sich jedenfalls
1994 auf dem Olympen-Haus in Wien-Mariahilf.306 So , wie die Oberösterreicher Ger-
manen um 1970 den RFS auf einen neuen Kurs geführt und sich als burschenschaft-
liche Avantgarde profiliert hatten , taten dies nun ( vorübergehend ) die Olympen. Die
Germanen standen dabei allerdings nicht abseits , sondern traten – ihrem Chronisten
Tulzer zufolge – als Co-Veranstalter jedenfalls des Oberlercher-Vortrages in Erschei-
nung.307 Um 1990 schwenkte auch die Aula auf den ‚neurechten‘ Kurs ein , wie ich in
Kürze noch darlegen werde.
303 Für die 1980er- und frühen 1990er-Jahre ist als ein weiteres studentisch-‚neurechtes‘ Projekt die Liste Kri-
tischer Studenten ( LKS ) zu erwähnen. Gegründet 1984 als ANR-Nachfolgeprojekt um Peter Franke , trat
sie mit einer Kritischen Studentenzeitung ( KSZ ) und Broschüren an die ( v. a. studentische ) Öffentlichkeit.
Kritische Sekundärliteratur berichtet von Kontakten der LKS zum Thule-Seminar von Pierre Krebs ( vgl.
Bailer/Neugebauer 1993a , 157 und Purtscheller 1993 , 168 ). Inwieweit Burschenschafter an den LKS-Ak-
tivitäten beteiligt waren , ließ sich angesichts der konspirativen Arbeitsweise der Gruppe ( und der damit
einhergehenden exzessiven Verwendung von Pseudonymen ) nicht abschließend klären. Jedenfalls inse-
rierte die KSZ in der Aula , deren Verlag wiederum eine KSZ-Publikation vertrieb ( vgl. Gärtner 1996 , 263
und 266 ; Bailer/Neugebauer 1993a , 121 ; Drack 2008 , 62 ). Vgl. weiterführend zur LKS und ihrer publizis-
tischen Tätigkeit Drack 2008 , 62 f. ; Bailer/Neugebauer 1993a , 157 f. ; Purtscheller 1993 , 164–176.
304 Gleichzeitig enthielten freiheitliche Propagandamaterialien nun explizite Bezüge auf Benoist und Kon-
sorten. So verwendeten etwa sowohl ein RFS-Aufkleber von 1986 als auch das Plakat zur Krebs-Veran-
staltung im selben Jahr ( „Die Strategie der kulturellen Revolution“ ) als Motiv das Titelbild von Benoists
‚Kulturrevolution von rechts‘. Krebs wandte sich in diesem Vortrag gegen das „Judeo-Christentum“ und
plädierte für Ethnopluralismus „( a )nstatt des Egalitarismus“ ( Oberösterreicher Germanen 1994 , 137 ).
Zu den genannten Veranstaltungen vgl. Dvorak 1996 , 70 f. ; H. Stefan 2009 , 129 ; Perner/Schiedel/Zell-
hofer 1994 , 55 und 64. Die zweite Veranstaltung mit Schrenck-Notzing kam letztlich nicht zustande.
305 Willms sprach im Rahmen des 125. Stiftungsfests Olympias 1984 an der BOKU ( vgl. Dvorak 1996 , 68 ;
Perner/Schiedel/Zellhofer 1994 , 68 ). Sander trat Ende März 1990
– die DB beging unter Olympen-Vor-
sitz ihre Rückkehr an ihren angestammten Tagungsort Eisenach
– auf der Thüringer Wartburg ans Red-
nerpult. Sander beschwor dabei den Tag , an dem „das Deutsche Reich wiederhergestellt“ werde ( zit. n.
Heither/Schäfer 1997 , 259 ). Pierre Krebs wurde von den Olympen 2006 erneut zum Vortrag nach Wien
geladen ( vgl. PBW , Einladung zum Vortrag im Olympen-Haus am 24. 5. 2006 ).
306 Vgl. Junge Freiheit Nr. 4 / 1994 , 10.
307 Vgl. Oberösterreicher Germanen 1994 , 141. Auch der Krebs-Vortrag von 1986 sei demnach nicht vom
( Olympen-)RFS alleine , sondern gemeinsam mit den Wiener Burschenschaften und Landsmannschaften
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619