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1.4 Methodische Ausrichtung
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1.4 Methodische Ausrichtung
Philosophiegeschichtliche Untersuchung : Diese Untersuchung trägt als Gesamtkonzept den
Charakter einer philosophiegeschichtlichen Untersuchung , in der die moralische und
ethische Gedankenwelt im Wiener Kreis kontextsensitiv rekonstruiert wird , um sie zu-
nächst aus ihrem damaligen Kontext heraus zu verstehen. Verstehen braucht Interpretati-
on und das Einordnen in Sinnzusammenhänge. Diese Untersuchung wird die Rolle und
die Konzeptionen von Moral und Ethik im Wiener Kreis als historisches Phänomen dar-
stellen , diese in ihrer Entwicklung in den Arbeiten der einzelnen Mitglieder aufzeigen
sowie ihre philosophiehistorischen Kontexte untersuchen. Darüber hinaus werden Moral
und Ethik des Wiener Kreises in weitere intellektuelle , kulturelle und soziale Strömungen
ihrer Zeit eingebettet , soweit sie für Moral und Ethik im Wiener Kreis von direktem Be-
lang sind. In einzelnen Teilen werden dabei mehr systematische Fragen , in anderen mehr
historische im Vordergrund stehen. Narratives , Ereignisse aus dem Leben der Mitglieder
und deren persönliche Meinungen werden eingebunden , sofern sie für das Verständnis der
Werke und für das Handeln im engen institutionellen Zusammenhang mit dem Kreis von
Interesse sind. Auch wenn biografischen Informationen keine rechtfertigende Funktion
zukommt , so sind sie im Falle der Mitglieder des Wiener Kreises zum Verständnis ihres
philosophischen Werkes hilfreich. Es sei zwar jeder Philosophin bzw. jedem Philosophen
unbenommen , als Person und als Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler unterschiedliche
Positionen einzunehmen , doch spricht im Falle der hier behandelten Personen alles dafür ,
dass es sich nicht so verhält. Dies betrifft sowohl Positionen in der inhaltlichen als auch
in der Metaethik. Bei aller Berücksichtigung biografischer Bezüge werden jedoch keines-
wegs philosophische Positionen durch diese belegt oder kritisiert. Im Gesamten geht es
darum , das bislang marginalisierte und wenig beachtete ethische Werk des Wiener Krei-
ses zu untersuchen und die zentrale Rolle der Moral für den Kreis im philosophischen und
allgemein historischen Kontext sichtbar zu machen.
Was diese Untersuchung nicht leisten kann , ist eine umfassende , detaillierte inhaltli-
che Kritik aus der Perspektive späterer und aktueller Diskussionsfelder. Hierzu bedürfte
es einer Reihe weiterer Untersuchungen , die den Rahmen und auch die Ausrichtung die-
ser Arbeit deutlich sprengen würden. Dies heißt jedoch andererseits nicht , dass auf Ur-
teile gänzlich verzichtet werden wird. Zum einen wird über die Adäquatheit des vorherr-
schenden Bildes geurteilt werden , zum anderen über die Adäquatheit der prinzipiellen
Auffassungen von Moral und Ethik im Wiener Kreis. Wo von Adäquatheit die Rede ist ,
ist dies nur sinnvoll , wo ein Maßstab , der möglichst explizit zu machen sein wird , als Be-
zugspunkt herangezogen wird. Diese Untersuchung strebt also keine Kritik hinsichtlich
der Details einzelner Werke an , sondern eine Kritik an der vorherrschenden Auffassung
und den Grundkonzepten von Moral und Ethik , mit denen sich der Wiener Kreis in die
Geschichte der Ethik einreiht , und zwar in anderer Weise , als im vorherrschenden Bild
vermittelt. Im Folgenden seien einige Punkte näher erläutert :
Ethik und Moral im Wiener Kreis
Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ethik und Moral im Wiener Kreis
- Untertitel
- Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
- Autor
- Annemarie Siegetsleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79533-9
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 450
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 13
- 2. Terminologische Klärungen 37
- 3. Moral und Ethik im Wiener Kreis und die Standardauffassung logisch- empiristischer Ethik 52
- 4. Das kulturelle Umfeld des politischen und moralischen Engagements 67
- 5. Rudolf Carnap : Individualistischer Dezisionismus und wissenschaftlicher Humanismus 89
- 5.1 Einleitung 89
- 5.2 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik vor der Wiener-Kreis-Periode 92
- 5.3 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik in der Wiener-Kreis-Periode 111
- 5.3.1 Der logische Aufbau der Welt ( 1928a ) und die Konstitution von Werten 111
- 5.3.2 Scheinprobleme in der Philosophie ( 1928b ) 120
- 5.3.3 „Wissenschaft und Leben“ ( 1929b ) 123
- 5.3.4 „Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“ ( 1931/32 ) 129
- 5.3.5 „Theoretische Fragen und praktische Entscheidungen“ ( 1934a ) 133
- 5.3.6 Philosophy and Logical Syntax ( 1935 ) 136
- 5. 3. 7 Carnaps moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 138
- 5.3.8 Carnaps individualistischer Dezisionismus und die Lebenspraxis 141
- 5.3.9 Möglichkeiten und Grenzen der Ethik 148
- 5.4 Spätphase : Optative 149
- 5.5 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 160
- 6. Karl Menger : Mathematische Modelle für ein verträgliches Zusammenleben 163
- 6.1 Einleitung 163
- 6.2 Mengers Logik der Sitten 168
- 6.3 Mengers Moralauffassung 177
- 6.3.1 Moral 1. und 2. Stufe , Basismoralen 177
- 6.3.2 Sinn und Zweck der / einer Moral 177
- 6.3.3 Kritik am Kategorischen Imperativ 179
- 6.3.4 Mengers Konzeption der Moralsprache : Semantischer Nonkognitivismus 180
- 6.3.5 Moralische Erkenntnis : Fundamentaler Nonkognitivismus und systemimmanenter Kognitivismus 182
- 6.4 Mengers Ethikverständnis 186
- 6.5 Menger und die Angewandte Ethik 193
- 6.6 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 194
- 7. Otto Neurath : Moral auf der Grundlage gemeinsam beschlossener humanistischer Lebensgrundsätze und Ethik in der Einheitswissenschaft 196
- 8. Philipp Frank : Pragmatische Ethik und relativierte Moral 251
- 9. Moritz Schlick : Eudämonistische Ethik als Weisheitslehre 265
- 10. Victor Kraft : Zwei-Komponenten-Kognitivismus und rationale Moralbegründung 332
- 10.1 Einleitung 332
- 10.2 Krafts moralische und ethische Auffassungen in der Wiener-Kreis-Periode 337
- 10.3 Krafts moralische und ethische Auffassungen nach der Wiener-Kreis-Periode 371
- 10.3.1 Moralbegründung auf Grundlage der Kultur : Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre , 2. Auflage ( 1951 ) 371
- 10.3.2 Moralbegründung auf Grundlage natürlicher Ziele : Rationale Moralbegründung ( 1963 ) 374
- 10.3.3 Moralbegründung auf der Grundlage primärer Strebensziele : Die Grundlagen der Erkenntnis und der Moral ( 1968 ) 377
- 10.4 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 383
- 11. Herbert Feigl : Pragmatische Moralbegründung 387
- 12. Systematische Zusammenfassung und allgemeine Schlussbemerkungen 402
- 12.1 Mangelndes Interesse an Moral als Menschen und Bürgerinnen oder Bürger 402
- 12.2 Geteilte moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 403
- 12.3 Differenzierungen in den Moralkonzeptionen 404
- 12.4 Differenzierungen in den Ethikkonzeptionen 409
- 12.5 Ausblick auf zukünftige Forschung 412
- 12.6 Allgemeine Schlussbemerkungen 413
- Literatur 417
- Abkürzungen 440
- Bildquellennachweis 440
- Personenregister 441