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1.4 Methodische Ausrichtung
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ler 1986 )23 Durchaus wurde in der Programmschrift ein solcher Zusammenhang herge-
stellt.24 Um Empirismus , Realismus und Distanz zum Deutschen Idealismus des 19. Jahr-
hunderts wird es auch in der vorliegenden Untersuchung gehen , doch
– ungeachtet aller
Nützlichkeit dieses Konzeptes in anderen Zusammenhängen , die hier keineswegs infra-
ge gestellt wird – nicht als spezifisches Charakteristikum österreichischer Philosophie.
Gerade zeitgenössische Ansätze der Philosophie in Deutschland werden sich als der-
art prägend erweisen , dass die Gefahr besteht , sie unter der Perspektive einer rein öster-
reichischen Philosophie aus dem Blick zu verlieren , seien es empiristische Strömungen
oder auch neukantianische. Zwei der führenden Köpfe des Kreises , Schlick und Carnap ,
waren reichsdeutsche Philosophen , die nicht ohne Weiteres in das von „österreichischer
Philosophie“ gezeichnete Bild passen. Sie wurden beide an deutschen Universitäten phi-
losophisch sozialisiert , und besonders in Bezug auf die Wissen schaftstheorie wurde der
Logische Empirismus gemeinsam mit der Berliner Gruppe entwickelt. Was das gemein-
same Erbe von „kontinentaler“ und „analytischer“ Philosophie betrifft , muss man bei vie-
len Mitgliedern des Wiener Kreises gar nicht so weit zurückgehen. Die Kreuzungspunk-
te Kant , Rickert und Nietzsche genügen durchaus.
Was allgemeine kulturelle Bewegungen anbelangt , so reichen deren Einflüsse ebenfalls
über die spezifische Wiener Spätaufklärung , die im Fokus bisheriger Kontextberücksich-
tigung stand , hinaus. So war auch die Ethische Bewegung , der sich einige Wiener-Kreis-
Mitglieder zugehörig fühlten und welche für die vorliegende Untersuchung von hohem
Interesse ist , eine internationale Bewegung. Die Bedeutung dieser Bewegung für den Wie-
ner Kreis wurde von Stadler bereits 1982 kurz erwähnt und von Uebel in ihrem Wiener
Kontext erstmals 2000 näher ausgeführt.
Ausgangspunkte bei einzelnen Mitgliedern : Die Untersuchung wird bei den Werken ein-
zelner Personen ansetzen , nicht bei vermeintlich geteilten Positionen. Wie die neueren
historisch informierten Arbeiten über andere Aspekte der Philosophie des Wiener Kreis
werde auch ich die Gruppe nicht als ein Ganzes betrachten und insofern bereits vom vor-
herrschenden Bild abweichen :
In the first place , it should be noted that the common view has tended to emphasize the Cir-
cle as a group to the detriment of our understanding of its members as individual thinkers.
This has obscured recognition of the importance of the internal disputes in Schlick’s group ,
[ … ]. ( Cirera 1994 , x )
23 Zur Sozial- und Staatsphilosophie Bolzanos siehe Siegetsleitner 2003.
24 Neurath dazu auch in „Die Entwicklung des Wiener Kreises und die Zukunft des Logischen Empi-
rismus“ ( 1936b ).
Ethik und Moral im Wiener Kreis
Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ethik und Moral im Wiener Kreis
- Untertitel
- Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
- Autor
- Annemarie Siegetsleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79533-9
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 450
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 13
- 2. Terminologische Klärungen 37
- 3. Moral und Ethik im Wiener Kreis und die Standardauffassung logisch- empiristischer Ethik 52
- 4. Das kulturelle Umfeld des politischen und moralischen Engagements 67
- 5. Rudolf Carnap : Individualistischer Dezisionismus und wissenschaftlicher Humanismus 89
- 5.1 Einleitung 89
- 5.2 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik vor der Wiener-Kreis-Periode 92
- 5.3 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik in der Wiener-Kreis-Periode 111
- 5.3.1 Der logische Aufbau der Welt ( 1928a ) und die Konstitution von Werten 111
- 5.3.2 Scheinprobleme in der Philosophie ( 1928b ) 120
- 5.3.3 „Wissenschaft und Leben“ ( 1929b ) 123
- 5.3.4 „Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“ ( 1931/32 ) 129
- 5.3.5 „Theoretische Fragen und praktische Entscheidungen“ ( 1934a ) 133
- 5.3.6 Philosophy and Logical Syntax ( 1935 ) 136
- 5. 3. 7 Carnaps moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 138
- 5.3.8 Carnaps individualistischer Dezisionismus und die Lebenspraxis 141
- 5.3.9 Möglichkeiten und Grenzen der Ethik 148
- 5.4 Spätphase : Optative 149
- 5.5 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 160
- 6. Karl Menger : Mathematische Modelle für ein verträgliches Zusammenleben 163
- 6.1 Einleitung 163
- 6.2 Mengers Logik der Sitten 168
- 6.3 Mengers Moralauffassung 177
- 6.3.1 Moral 1. und 2. Stufe , Basismoralen 177
- 6.3.2 Sinn und Zweck der / einer Moral 177
- 6.3.3 Kritik am Kategorischen Imperativ 179
- 6.3.4 Mengers Konzeption der Moralsprache : Semantischer Nonkognitivismus 180
- 6.3.5 Moralische Erkenntnis : Fundamentaler Nonkognitivismus und systemimmanenter Kognitivismus 182
- 6.4 Mengers Ethikverständnis 186
- 6.5 Menger und die Angewandte Ethik 193
- 6.6 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 194
- 7. Otto Neurath : Moral auf der Grundlage gemeinsam beschlossener humanistischer Lebensgrundsätze und Ethik in der Einheitswissenschaft 196
- 8. Philipp Frank : Pragmatische Ethik und relativierte Moral 251
- 9. Moritz Schlick : Eudämonistische Ethik als Weisheitslehre 265
- 10. Victor Kraft : Zwei-Komponenten-Kognitivismus und rationale Moralbegründung 332
- 10.1 Einleitung 332
- 10.2 Krafts moralische und ethische Auffassungen in der Wiener-Kreis-Periode 337
- 10.3 Krafts moralische und ethische Auffassungen nach der Wiener-Kreis-Periode 371
- 10.3.1 Moralbegründung auf Grundlage der Kultur : Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre , 2. Auflage ( 1951 ) 371
- 10.3.2 Moralbegründung auf Grundlage natürlicher Ziele : Rationale Moralbegründung ( 1963 ) 374
- 10.3.3 Moralbegründung auf der Grundlage primärer Strebensziele : Die Grundlagen der Erkenntnis und der Moral ( 1968 ) 377
- 10.4 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 383
- 11. Herbert Feigl : Pragmatische Moralbegründung 387
- 12. Systematische Zusammenfassung und allgemeine Schlussbemerkungen 402
- 12.1 Mangelndes Interesse an Moral als Menschen und Bürgerinnen oder Bürger 402
- 12.2 Geteilte moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 403
- 12.3 Differenzierungen in den Moralkonzeptionen 404
- 12.4 Differenzierungen in den Ethikkonzeptionen 409
- 12.5 Ausblick auf zukünftige Forschung 412
- 12.6 Allgemeine Schlussbemerkungen 413
- Literatur 417
- Abkürzungen 440
- Bildquellennachweis 440
- Personenregister 441