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4.3 Engagement in überparteilichen Organisationen
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Auch wenn in dieser Untersuchung nicht die gesamte Bewegung des Logischen Em-
pirismus betrachtet wird , so sei dennoch erwähnt , dass auch Ayer sich für die Labour
Party engagierte , sich offiziell zum Atheismus bekannte und von 1965 bis 1970 als Präsi-
dent der später sogenannten British Humanist Association ( BHA ) fungierte. Die British
Humanist Association stellt eine nicht-religiöse moralische Vereinigung dar und existiert
unter diesem Namen seit 1967. Sie entstand jedoch durch Umbenennung der 1896 ge-
gründeten Union of Ethical Societies , womit auch die BHA direkt aus der Ethischen Be-
wegung hervorgegangen ist. 1905 /06 waren darin 26 Gesellschaften vereinigt , 1921 waren
es siebzig. 1968 veröffentlichte Ayer den Sammelband The Humanist Outlook , in dessen
Einleitung er schrieb :
In common with other humanists , I believe that the only possible basis for a sound morality
is mutual tolerance and respect : tolerance of one another’s customs and opinions : respect for
one another’s rights and feelings ; awareness of one another’s needs. ( Ayer 1968b , 10 )
In seiner Darstellung humanistischer Überzeugungen heißt es entsprechend :
Humanists think : that this world is all we have , and can provide all we need ; that we should
try to live full and happy lives ourselves and , as part of this , help to make it easier for other
people to do the same ; that all situations and people deserve to be judged on their merits by
standards of reason and humanity ; and , that individuality and social co-operation are equally
important. ( Zitiert auf der Website der British Humanist Association )103
Die BHA organisiert wie die Ethische Gemeinde in Wien in der Zwischenkriegszeit nicht-
religiöse Feierlichkeiten für Beerdigungen , Hochzeiten und Namensgebung. Sie ist darü-
ber hinaus Gründungsmitglied der Norham Foundation , einer moralischen Beratungsver-
einigung , in der die BHA für freiwillige Sterbehilfe und das Recht auf Abtreibung eintrat.
Doch nun zurück nach Wien. Thomas Uebel ist der Erste in der Aufarbeitung der Ge-
schichte des Wiener Kreises , der sich eingehender mit Jodl auseinandersetzt. Bis dahin
stand Jodl in dieser Wiederaufarbeitung eindeutig im Schatten Machs. Uebel erscheint es
nicht untypisch , dass Jodl mit seiner Feuerbach’schen Prägung „eben im Wien der Jahr-
hundertwende sein universitäres und volksbildnerisches Wirkungsfeld fand“ ( Uebel 2000 ,
108 ). Er äußert sich jedoch kritisch zur Ethik Jodls und der ähnlich ausgerichteter Den-
kerinnen und Denker der Wiener Aufklärung um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhun-
dert , die „selbstbewusst das moralische Gewissen der Epoche artikulieren“ ( Uebel 2000 ,
291 ) wollten :
103 http://www.humanism.org.uk/humanism/humanist-tradition/20century/Ayer
( 21. Februar 2012 )
Ethik und Moral im Wiener Kreis
Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ethik und Moral im Wiener Kreis
- Untertitel
- Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
- Autor
- Annemarie Siegetsleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79533-9
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 450
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 13
- 2. Terminologische Klärungen 37
- 3. Moral und Ethik im Wiener Kreis und die Standardauffassung logisch- empiristischer Ethik 52
- 4. Das kulturelle Umfeld des politischen und moralischen Engagements 67
- 5. Rudolf Carnap : Individualistischer Dezisionismus und wissenschaftlicher Humanismus 89
- 5.1 Einleitung 89
- 5.2 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik vor der Wiener-Kreis-Periode 92
- 5.3 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik in der Wiener-Kreis-Periode 111
- 5.3.1 Der logische Aufbau der Welt ( 1928a ) und die Konstitution von Werten 111
- 5.3.2 Scheinprobleme in der Philosophie ( 1928b ) 120
- 5.3.3 „Wissenschaft und Leben“ ( 1929b ) 123
- 5.3.4 „Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“ ( 1931/32 ) 129
- 5.3.5 „Theoretische Fragen und praktische Entscheidungen“ ( 1934a ) 133
- 5.3.6 Philosophy and Logical Syntax ( 1935 ) 136
- 5. 3. 7 Carnaps moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 138
- 5.3.8 Carnaps individualistischer Dezisionismus und die Lebenspraxis 141
- 5.3.9 Möglichkeiten und Grenzen der Ethik 148
- 5.4 Spätphase : Optative 149
- 5.5 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 160
- 6. Karl Menger : Mathematische Modelle für ein verträgliches Zusammenleben 163
- 6.1 Einleitung 163
- 6.2 Mengers Logik der Sitten 168
- 6.3 Mengers Moralauffassung 177
- 6.3.1 Moral 1. und 2. Stufe , Basismoralen 177
- 6.3.2 Sinn und Zweck der / einer Moral 177
- 6.3.3 Kritik am Kategorischen Imperativ 179
- 6.3.4 Mengers Konzeption der Moralsprache : Semantischer Nonkognitivismus 180
- 6.3.5 Moralische Erkenntnis : Fundamentaler Nonkognitivismus und systemimmanenter Kognitivismus 182
- 6.4 Mengers Ethikverständnis 186
- 6.5 Menger und die Angewandte Ethik 193
- 6.6 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 194
- 7. Otto Neurath : Moral auf der Grundlage gemeinsam beschlossener humanistischer Lebensgrundsätze und Ethik in der Einheitswissenschaft 196
- 8. Philipp Frank : Pragmatische Ethik und relativierte Moral 251
- 9. Moritz Schlick : Eudämonistische Ethik als Weisheitslehre 265
- 10. Victor Kraft : Zwei-Komponenten-Kognitivismus und rationale Moralbegründung 332
- 10.1 Einleitung 332
- 10.2 Krafts moralische und ethische Auffassungen in der Wiener-Kreis-Periode 337
- 10.3 Krafts moralische und ethische Auffassungen nach der Wiener-Kreis-Periode 371
- 10.3.1 Moralbegründung auf Grundlage der Kultur : Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre , 2. Auflage ( 1951 ) 371
- 10.3.2 Moralbegründung auf Grundlage natürlicher Ziele : Rationale Moralbegründung ( 1963 ) 374
- 10.3.3 Moralbegründung auf der Grundlage primärer Strebensziele : Die Grundlagen der Erkenntnis und der Moral ( 1968 ) 377
- 10.4 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 383
- 11. Herbert Feigl : Pragmatische Moralbegründung 387
- 12. Systematische Zusammenfassung und allgemeine Schlussbemerkungen 402
- 12.1 Mangelndes Interesse an Moral als Menschen und Bürgerinnen oder Bürger 402
- 12.2 Geteilte moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 403
- 12.3 Differenzierungen in den Moralkonzeptionen 404
- 12.4 Differenzierungen in den Ethikkonzeptionen 409
- 12.5 Ausblick auf zukünftige Forschung 412
- 12.6 Allgemeine Schlussbemerkungen 413
- Literatur 417
- Abkürzungen 440
- Bildquellennachweis 440
- Personenregister 441