Seite - 151 - in Ethik und Moral im Wiener Kreis - Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
Bild der Seite - 151 -
Text der Seite - 151 -
5.4 Spätphase : Optative
151
ten , für das das Urteil als Norm fungiert. Emotivistinnen und Emotivisten sehen hierin
auch kein Problem , solange es sich um hypothetische Imperative handelt. Für sie geht es
bei ( moralischen ) Werturteilen aber um absolute Ziele. ( Kaplan 1963 , 835 )
Ebenso würden Emotivistinnen und Emotivisten vom Gegensatz Vernunft–Emotion
ausgehen. Für Kaplan hingegen können Emotionen vernünftig sein , insofern sie auf Über-
zeugungen beruhen , die Rechtfertigungsgründe liefern. ( Kaplan 1963 , 842 )
[ … ], there is no denial in cognitivism that value judgments are expressive of attitudes , but
only that this expression excludes their having cognitive meaning. [ … ] Rejection of the du-
alism of reason and emotion carries with it an abandonment of the dualistic theory of dis-
course , according to which emotive and cognitive meanings are logically ( though not always
casually ) independent. ( Kaplan 1963 , 845 f. )
Kaplan wendet gegen Carnap und ähnliche Positionen zusammengefasst ein , sie würden
eine Reihe von Voraussetzungen akzeptieren , zu denen weder die Logik noch der Empi-
rismus drängten.
Vieles an der Auseinandersetzung zwischen Kognitivismus und Emotivismus ( in mei-
ner Terminologie ausgedrückt : eines individualistischen Expressivismus und / oder Prä-
skriptivismus ) sei zudem eine Frage der Betonung , wie Kaplan mit einem Zitat von Ca-
vell und Sesonske zusammenfasst :
The emotivist says , “you can look at all the facts you like , but you will have to choose.” And
the cognitivist says , “You will have to choose , of course , but you must first look at all the facts
you can.” For any ethical situation , the positivist insists that the best solution possible is a rea-
soned choice ; the pragmatist insists the best possible solution is a reasoned choice.
( Cavell / Sesonske 1951 , 16 )
Es gebe viele Möglichkeiten der Annäherung , wenn Emotivistinnen und Emotivisten zu-
lassen würden , dass Haltungen und Änderungen von Haltungen rational kritisiert wer-
den könnten. ( Kaplan 1963 , 853 ) In diesem Sinne schließt Kaplan mit einem „Versöh-
nungsangebot“:
An emotivism which formulates criteria ( [ … ]) for the appraisal of attitudes
– as impartial or
biased , rooted in comprehensive and true beliefs or in incomplete and misleading ones , ex-
pressing arbitrary caprice or resulting from careful reflection
– such an emotivism is very lit-
tle different in substance from cognitivism. It is not an issue of great moment whether value
judgments be held only to express attitudes or also to formulate propositions about matters
of fact , if it is agreed that , whatever their content , they are subject to appraisal and criticism
on the basis of what we know or can find out. ( Kaplan 1963 , 854 )
Ethik und Moral im Wiener Kreis
Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ethik und Moral im Wiener Kreis
- Untertitel
- Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
- Autor
- Annemarie Siegetsleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79533-9
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 450
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 13
- 2. Terminologische Klärungen 37
- 3. Moral und Ethik im Wiener Kreis und die Standardauffassung logisch- empiristischer Ethik 52
- 4. Das kulturelle Umfeld des politischen und moralischen Engagements 67
- 5. Rudolf Carnap : Individualistischer Dezisionismus und wissenschaftlicher Humanismus 89
- 5.1 Einleitung 89
- 5.2 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik vor der Wiener-Kreis-Periode 92
- 5.3 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik in der Wiener-Kreis-Periode 111
- 5.3.1 Der logische Aufbau der Welt ( 1928a ) und die Konstitution von Werten 111
- 5.3.2 Scheinprobleme in der Philosophie ( 1928b ) 120
- 5.3.3 „Wissenschaft und Leben“ ( 1929b ) 123
- 5.3.4 „Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“ ( 1931/32 ) 129
- 5.3.5 „Theoretische Fragen und praktische Entscheidungen“ ( 1934a ) 133
- 5.3.6 Philosophy and Logical Syntax ( 1935 ) 136
- 5. 3. 7 Carnaps moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 138
- 5.3.8 Carnaps individualistischer Dezisionismus und die Lebenspraxis 141
- 5.3.9 Möglichkeiten und Grenzen der Ethik 148
- 5.4 Spätphase : Optative 149
- 5.5 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 160
- 6. Karl Menger : Mathematische Modelle für ein verträgliches Zusammenleben 163
- 6.1 Einleitung 163
- 6.2 Mengers Logik der Sitten 168
- 6.3 Mengers Moralauffassung 177
- 6.3.1 Moral 1. und 2. Stufe , Basismoralen 177
- 6.3.2 Sinn und Zweck der / einer Moral 177
- 6.3.3 Kritik am Kategorischen Imperativ 179
- 6.3.4 Mengers Konzeption der Moralsprache : Semantischer Nonkognitivismus 180
- 6.3.5 Moralische Erkenntnis : Fundamentaler Nonkognitivismus und systemimmanenter Kognitivismus 182
- 6.4 Mengers Ethikverständnis 186
- 6.5 Menger und die Angewandte Ethik 193
- 6.6 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 194
- 7. Otto Neurath : Moral auf der Grundlage gemeinsam beschlossener humanistischer Lebensgrundsätze und Ethik in der Einheitswissenschaft 196
- 8. Philipp Frank : Pragmatische Ethik und relativierte Moral 251
- 9. Moritz Schlick : Eudämonistische Ethik als Weisheitslehre 265
- 10. Victor Kraft : Zwei-Komponenten-Kognitivismus und rationale Moralbegründung 332
- 10.1 Einleitung 332
- 10.2 Krafts moralische und ethische Auffassungen in der Wiener-Kreis-Periode 337
- 10.3 Krafts moralische und ethische Auffassungen nach der Wiener-Kreis-Periode 371
- 10.3.1 Moralbegründung auf Grundlage der Kultur : Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre , 2. Auflage ( 1951 ) 371
- 10.3.2 Moralbegründung auf Grundlage natürlicher Ziele : Rationale Moralbegründung ( 1963 ) 374
- 10.3.3 Moralbegründung auf der Grundlage primärer Strebensziele : Die Grundlagen der Erkenntnis und der Moral ( 1968 ) 377
- 10.4 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 383
- 11. Herbert Feigl : Pragmatische Moralbegründung 387
- 12. Systematische Zusammenfassung und allgemeine Schlussbemerkungen 402
- 12.1 Mangelndes Interesse an Moral als Menschen und Bürgerinnen oder Bürger 402
- 12.2 Geteilte moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 403
- 12.3 Differenzierungen in den Moralkonzeptionen 404
- 12.4 Differenzierungen in den Ethikkonzeptionen 409
- 12.5 Ausblick auf zukünftige Forschung 412
- 12.6 Allgemeine Schlussbemerkungen 413
- Literatur 417
- Abkürzungen 440
- Bildquellennachweis 440
- Personenregister 441