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6. Karl Menger : Mathematische Modelle für ein verträgliches Zusammenleben
170 Jeder Mensch wird ja nur wenige Menschen finden , die in dieselbe volle Gruppe der Über-
einstimmung gehören wie er , d. h. mit ihm in der Stellungnahme gegenüber allen Normen
übereinstimmen. ( Menger 1934a [ 1997 , 126 ])
Geht es um viele Normen , so vermehren sich zudem die vollen Gruppen der Überein-
stimmung sprunghaft.224 Bei einem Normensystem von n Normen ergeben sich bereits 3n
Menschengruppen. ( Menger 1934a [ 1997 , 126 ]) Denn jede bereits gebildete Gruppe zer-
fällt durch eine zusätzliche Norm ( die nicht aus den bisherigen ableitbar ist ) wiederum
in drei Gruppen.
Nehmen wir als Beispiel 2 Normen ( N1 und N2 ) und die Möglichkeiten der Stellung-
nahme + , 0 , - :
+ 0 -
N1 G1 G2 G3
N1
und N2 + 0 - + 0 - + 0 -
G4 G5 G6 G7 G8 G9 G10 G11 G12
Bei einer solchen Einteilung wird die Gruppe der Normadressatinnen und Normadressa-
ten vollständig und ohne Überlappung aufgeteilt. Jeder wird einer und nur einer Gruppe
zugeteilt. ( Menger 1934a [ 1997 , 129 ]) Faktisch können natürlich einige Mengen leer sein.
Gruppen der Übereinstimmung : Eine andere Einteilung ist die in Gruppen der Überein-
stimmung. In einer solchen Gruppe finden sich nur solche Menschen , die in ihrer Stel-
lungnahme übereinstimmen , aber nicht alle , für die das zutrifft , sind umfasst. ( Menger
1934a [ 1997 , 126 ])
Beide Einteilungen können zu sehr vielen Gruppen führen. Menger fragt nun , ob wir
nicht in größere und dadurch weniger Gruppen unterteilen könnten. Das ist möglich
durch Gruppen ohne Gegensätze und Gruppen ohne wichtige Gegensätze. Gegensät-
ze bestehen ja nur zwischen Billigenden und Missbilligenden , mit den Indifferenten gibt
es kein Problem.
Gruppen ohne Gegensätze : Wie immer zwei Menschen einer und derselben Gruppe he-
rausgegriffen werden , sind dieselben hinsichtlich keiner Norm gegensätzlich. ( Menger
1934a [ 1997 , 127 ]) Dadurch können weniger Gruppen gebildet werden , weil die Indiffe-
renten aufgeteilt werden können. Die Anzahl der Gruppen ohne Gegensätze ist jeden-
falls geringer als die Anzahl der Gruppen vollständiger Übereinstimmung , sofern mindes-
tens eine Adressatin oder ein Adressat die vorliegende Norm indifferent beurteilt. ( Knapp
1977 , 179 )225
224 Eine Gesellschaft mit vielen Gruppen der Übereinstimmung ist nicht sehr stabil. ( Knapp 1977 , 179 )
225 Bei Gruppen der Übereinstimmung ist die Relation überdies transitiv , bei Gruppen von Gegensät-
zen nicht. ( Menger 1934a [ 1997 , 128 ])
Ethik und Moral im Wiener Kreis
Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ethik und Moral im Wiener Kreis
- Untertitel
- Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
- Autor
- Annemarie Siegetsleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79533-9
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 450
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 13
- 2. Terminologische Klärungen 37
- 3. Moral und Ethik im Wiener Kreis und die Standardauffassung logisch- empiristischer Ethik 52
- 4. Das kulturelle Umfeld des politischen und moralischen Engagements 67
- 5. Rudolf Carnap : Individualistischer Dezisionismus und wissenschaftlicher Humanismus 89
- 5.1 Einleitung 89
- 5.2 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik vor der Wiener-Kreis-Periode 92
- 5.3 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik in der Wiener-Kreis-Periode 111
- 5.3.1 Der logische Aufbau der Welt ( 1928a ) und die Konstitution von Werten 111
- 5.3.2 Scheinprobleme in der Philosophie ( 1928b ) 120
- 5.3.3 „Wissenschaft und Leben“ ( 1929b ) 123
- 5.3.4 „Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“ ( 1931/32 ) 129
- 5.3.5 „Theoretische Fragen und praktische Entscheidungen“ ( 1934a ) 133
- 5.3.6 Philosophy and Logical Syntax ( 1935 ) 136
- 5. 3. 7 Carnaps moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 138
- 5.3.8 Carnaps individualistischer Dezisionismus und die Lebenspraxis 141
- 5.3.9 Möglichkeiten und Grenzen der Ethik 148
- 5.4 Spätphase : Optative 149
- 5.5 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 160
- 6. Karl Menger : Mathematische Modelle für ein verträgliches Zusammenleben 163
- 6.1 Einleitung 163
- 6.2 Mengers Logik der Sitten 168
- 6.3 Mengers Moralauffassung 177
- 6.3.1 Moral 1. und 2. Stufe , Basismoralen 177
- 6.3.2 Sinn und Zweck der / einer Moral 177
- 6.3.3 Kritik am Kategorischen Imperativ 179
- 6.3.4 Mengers Konzeption der Moralsprache : Semantischer Nonkognitivismus 180
- 6.3.5 Moralische Erkenntnis : Fundamentaler Nonkognitivismus und systemimmanenter Kognitivismus 182
- 6.4 Mengers Ethikverständnis 186
- 6.5 Menger und die Angewandte Ethik 193
- 6.6 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 194
- 7. Otto Neurath : Moral auf der Grundlage gemeinsam beschlossener humanistischer Lebensgrundsätze und Ethik in der Einheitswissenschaft 196
- 8. Philipp Frank : Pragmatische Ethik und relativierte Moral 251
- 9. Moritz Schlick : Eudämonistische Ethik als Weisheitslehre 265
- 10. Victor Kraft : Zwei-Komponenten-Kognitivismus und rationale Moralbegründung 332
- 10.1 Einleitung 332
- 10.2 Krafts moralische und ethische Auffassungen in der Wiener-Kreis-Periode 337
- 10.3 Krafts moralische und ethische Auffassungen nach der Wiener-Kreis-Periode 371
- 10.3.1 Moralbegründung auf Grundlage der Kultur : Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre , 2. Auflage ( 1951 ) 371
- 10.3.2 Moralbegründung auf Grundlage natürlicher Ziele : Rationale Moralbegründung ( 1963 ) 374
- 10.3.3 Moralbegründung auf der Grundlage primärer Strebensziele : Die Grundlagen der Erkenntnis und der Moral ( 1968 ) 377
- 10.4 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 383
- 11. Herbert Feigl : Pragmatische Moralbegründung 387
- 12. Systematische Zusammenfassung und allgemeine Schlussbemerkungen 402
- 12.1 Mangelndes Interesse an Moral als Menschen und Bürgerinnen oder Bürger 402
- 12.2 Geteilte moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 403
- 12.3 Differenzierungen in den Moralkonzeptionen 404
- 12.4 Differenzierungen in den Ethikkonzeptionen 409
- 12.5 Ausblick auf zukünftige Forschung 412
- 12.6 Allgemeine Schlussbemerkungen 413
- Literatur 417
- Abkürzungen 440
- Bildquellennachweis 440
- Personenregister 441