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6.2 Mengers Logik der Sitten
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durch die Mehrheit. Eine qualitativ andere Methode bestehe darin , nach Kompromissen
zu suchen. Dies könnte durch Modifizierung einzelner Normen oder im Falle eines Ko-
dex ( Normensammlung ) durch das Kombinieren ausgewählter Normen geschehen. Bei-
de Vorgehensweisen würden jedoch in einer einheitlichen Regelung für die gesamte Be-
völkerung enden , dies jedoch zu einem hohen Preis :
Dictates satisfy only some individuals ; compromises satisfy either no-one fully in any contro-
versial matter or everyone in some respects while not in others. ( Menger 1974 , 103 )
Ein Weg könnte hingegen ebenso , wie das Buch zeigt , in einer pluralistischen , differen-
zierten Lösung bestehen.
Menger erwähnt schon 1974 die Computertechnologie als eine Technologie , die plura-
listische Lösungen unterstützen könnte :
By these means it has become possible ( or certainly will soon be possible ) to organize , on the
one hand , various groups within the same territory and , on the other hand , groups scat tered
over altogether separate regions. This technology , available only since the middle of this cen-
tury , has not yet been exploited for the organization of peacefully coexisting groups with un-
like codes. ( Menger 1974 , 105 )
Wer will , dass in seiner Umgebung entsprechend gehandelt werde , müsse das ja nicht von
allen fordern. ( Menger 1934a [ 1997 , 205 f. ])
Bestimmte Bedingungen verhindern jedoch pluralistische Lösungen. Dies ist beispiels-
weise der Fall , wenn bestimmte Entschlüsse enthalten sind , die sich ihrerseits auf Ent-
schlüsse der anderen beziehen wie im Falle zweier Religionsgruppen , von denen sich min-
destens eine zur Norm setzt , die eigenen religiösen Normen der anderen aufzuzwingen.
( Menger 1934a [ 1997 , 205 f. ])
A cohesive group may well include competing individuals , but it cannot include members
bent on suppressing the decisions of other members. ( Menger 1974 , 106 )
Ähnliche Schwierigkeiten entstehen , wenn davon ausgegangen wird , ein Gesetz könne
nur dann eingeführt werden , wenn es für die Gesamtheit gelte. ( Menger 1934a [ 1997 , 206 ])
Yet social practice often excludes the great middle : something and some people. Implicitly and
perhaps unconsciously , social and legal practitioners usually follow the categorical impera tive
taking unique regulations for granted. Actually , however , most ethical and social prob lems
have more than one solution , each desired by some people ; [ … ]. After emancipation from the
spirit of the categorical imperative , what is needed in order to bring that practically „exclu-
ded middle“ into proper relief is a study which examines cohesive groups associated with un-
Ethik und Moral im Wiener Kreis
Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ethik und Moral im Wiener Kreis
- Untertitel
- Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
- Autor
- Annemarie Siegetsleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79533-9
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 450
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 13
- 2. Terminologische Klärungen 37
- 3. Moral und Ethik im Wiener Kreis und die Standardauffassung logisch- empiristischer Ethik 52
- 4. Das kulturelle Umfeld des politischen und moralischen Engagements 67
- 5. Rudolf Carnap : Individualistischer Dezisionismus und wissenschaftlicher Humanismus 89
- 5.1 Einleitung 89
- 5.2 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik vor der Wiener-Kreis-Periode 92
- 5.3 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik in der Wiener-Kreis-Periode 111
- 5.3.1 Der logische Aufbau der Welt ( 1928a ) und die Konstitution von Werten 111
- 5.3.2 Scheinprobleme in der Philosophie ( 1928b ) 120
- 5.3.3 „Wissenschaft und Leben“ ( 1929b ) 123
- 5.3.4 „Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“ ( 1931/32 ) 129
- 5.3.5 „Theoretische Fragen und praktische Entscheidungen“ ( 1934a ) 133
- 5.3.6 Philosophy and Logical Syntax ( 1935 ) 136
- 5. 3. 7 Carnaps moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 138
- 5.3.8 Carnaps individualistischer Dezisionismus und die Lebenspraxis 141
- 5.3.9 Möglichkeiten und Grenzen der Ethik 148
- 5.4 Spätphase : Optative 149
- 5.5 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 160
- 6. Karl Menger : Mathematische Modelle für ein verträgliches Zusammenleben 163
- 6.1 Einleitung 163
- 6.2 Mengers Logik der Sitten 168
- 6.3 Mengers Moralauffassung 177
- 6.3.1 Moral 1. und 2. Stufe , Basismoralen 177
- 6.3.2 Sinn und Zweck der / einer Moral 177
- 6.3.3 Kritik am Kategorischen Imperativ 179
- 6.3.4 Mengers Konzeption der Moralsprache : Semantischer Nonkognitivismus 180
- 6.3.5 Moralische Erkenntnis : Fundamentaler Nonkognitivismus und systemimmanenter Kognitivismus 182
- 6.4 Mengers Ethikverständnis 186
- 6.5 Menger und die Angewandte Ethik 193
- 6.6 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 194
- 7. Otto Neurath : Moral auf der Grundlage gemeinsam beschlossener humanistischer Lebensgrundsätze und Ethik in der Einheitswissenschaft 196
- 8. Philipp Frank : Pragmatische Ethik und relativierte Moral 251
- 9. Moritz Schlick : Eudämonistische Ethik als Weisheitslehre 265
- 10. Victor Kraft : Zwei-Komponenten-Kognitivismus und rationale Moralbegründung 332
- 10.1 Einleitung 332
- 10.2 Krafts moralische und ethische Auffassungen in der Wiener-Kreis-Periode 337
- 10.3 Krafts moralische und ethische Auffassungen nach der Wiener-Kreis-Periode 371
- 10.3.1 Moralbegründung auf Grundlage der Kultur : Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre , 2. Auflage ( 1951 ) 371
- 10.3.2 Moralbegründung auf Grundlage natürlicher Ziele : Rationale Moralbegründung ( 1963 ) 374
- 10.3.3 Moralbegründung auf der Grundlage primärer Strebensziele : Die Grundlagen der Erkenntnis und der Moral ( 1968 ) 377
- 10.4 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 383
- 11. Herbert Feigl : Pragmatische Moralbegründung 387
- 12. Systematische Zusammenfassung und allgemeine Schlussbemerkungen 402
- 12.1 Mangelndes Interesse an Moral als Menschen und Bürgerinnen oder Bürger 402
- 12.2 Geteilte moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 403
- 12.3 Differenzierungen in den Moralkonzeptionen 404
- 12.4 Differenzierungen in den Ethikkonzeptionen 409
- 12.5 Ausblick auf zukünftige Forschung 412
- 12.6 Allgemeine Schlussbemerkungen 413
- Literatur 417
- Abkürzungen 440
- Bildquellennachweis 440
- Personenregister 441