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6. Karl Menger : Mathematische Modelle für ein verträgliches Zusammenleben
190 Evaluation-free studies cannot result in norms concerning the organization of groups any
more than they can characterize good or just or right decisions of individuals. All they can do
in a practical way on any level is to point to possibilities some of which may have been over-
looked or neglected. It is in this sense that the ideas set forth in this book suggest an alter-
native to the uniform regulations discussed above. ( Menger 1974 , 103 )
Menger geht jedoch über historische oder ethnografische Beschreibungen hinaus , in-
dem er auch eine theoretische Behandlung normativer Sätze als wissenschaftliche Arbeit
sieht. Bestimmte Moralen können nicht nur empirisch , sondern auch theoretisch unter-
sucht werden , jedoch nur in formaler Hinsicht. Die philosophische Behandlung inhaltli-
cher Ethik ist nur insofern möglich , als logisch-mathematisches Instrumentarium darauf
angewandt wird. In dieser Hinsicht kann moralisch neutrale inhaltliche Ethik betrieben
werden , insbesondere in konstruktiver Weise , insofern alternative Möglichkeiten aufge-
zeigt werden.
Menger geht es vor allem darum zu zeigen , wie exaktes Denken in der Ethik auch zu
Positivem führen kann , „das logischer Kritik standhält , und durchaus nicht etwa in bloßer
Kritik sich erschöpft“ ( Menger 1934a [ 1997 , 194 ]).. Sein Beitrag , zu dem er sich als Ma-
thematiker berufen fühlt , liegt auf dem Gebiet der exaktwissenschaftlichen Modelle für
die moralische Praxis :
Might not exact think ing , despite everything , yield positive ideas connected with ethical pro-
blems or at least be somehow applicable to them ? ( Menger 1994 , 181 )
Der Vorwurf , logische Überlegungen seien , soweit es um Moral geht , nicht fruchtbar ,
scheint ihm nicht berechtigt zu sein. ( Menger 1934a [ 1997 , 194 ]) Von solchen Untersu-
chungen verspricht sich Menger jedenfalls mehr moralischen Fortschritt als von traditio-
nellen ethischen Untersuchungen :
And it is hard to envisage progress resulting from ethical studies of the traditional type : from
definitions of good and evil or from proofs of the undefinability of these notions ; from the
intuition of absolute values or from complete skepticism ; from metaphysics or from mysti-
cism. Emphasis on pluralistic organizations of society whenever and wherever such regula-
tions are possible is of a different character. ( Menger 1974 , 108 )
So urteilt Popper über Menger in einem Gespräch mit Dahms und Stadler aus dem Jah-
re 1991 auch :
Es ist eines der wenigen Bücher , das versucht, vom blöden Gerede in der Ethik wegzukom-
men. ( Stadler 1997a , 544 )
Ethik und Moral im Wiener Kreis
Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ethik und Moral im Wiener Kreis
- Untertitel
- Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
- Autor
- Annemarie Siegetsleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79533-9
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 450
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 13
- 2. Terminologische Klärungen 37
- 3. Moral und Ethik im Wiener Kreis und die Standardauffassung logisch- empiristischer Ethik 52
- 4. Das kulturelle Umfeld des politischen und moralischen Engagements 67
- 5. Rudolf Carnap : Individualistischer Dezisionismus und wissenschaftlicher Humanismus 89
- 5.1 Einleitung 89
- 5.2 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik vor der Wiener-Kreis-Periode 92
- 5.3 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik in der Wiener-Kreis-Periode 111
- 5.3.1 Der logische Aufbau der Welt ( 1928a ) und die Konstitution von Werten 111
- 5.3.2 Scheinprobleme in der Philosophie ( 1928b ) 120
- 5.3.3 „Wissenschaft und Leben“ ( 1929b ) 123
- 5.3.4 „Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“ ( 1931/32 ) 129
- 5.3.5 „Theoretische Fragen und praktische Entscheidungen“ ( 1934a ) 133
- 5.3.6 Philosophy and Logical Syntax ( 1935 ) 136
- 5. 3. 7 Carnaps moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 138
- 5.3.8 Carnaps individualistischer Dezisionismus und die Lebenspraxis 141
- 5.3.9 Möglichkeiten und Grenzen der Ethik 148
- 5.4 Spätphase : Optative 149
- 5.5 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 160
- 6. Karl Menger : Mathematische Modelle für ein verträgliches Zusammenleben 163
- 6.1 Einleitung 163
- 6.2 Mengers Logik der Sitten 168
- 6.3 Mengers Moralauffassung 177
- 6.3.1 Moral 1. und 2. Stufe , Basismoralen 177
- 6.3.2 Sinn und Zweck der / einer Moral 177
- 6.3.3 Kritik am Kategorischen Imperativ 179
- 6.3.4 Mengers Konzeption der Moralsprache : Semantischer Nonkognitivismus 180
- 6.3.5 Moralische Erkenntnis : Fundamentaler Nonkognitivismus und systemimmanenter Kognitivismus 182
- 6.4 Mengers Ethikverständnis 186
- 6.5 Menger und die Angewandte Ethik 193
- 6.6 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 194
- 7. Otto Neurath : Moral auf der Grundlage gemeinsam beschlossener humanistischer Lebensgrundsätze und Ethik in der Einheitswissenschaft 196
- 8. Philipp Frank : Pragmatische Ethik und relativierte Moral 251
- 9. Moritz Schlick : Eudämonistische Ethik als Weisheitslehre 265
- 10. Victor Kraft : Zwei-Komponenten-Kognitivismus und rationale Moralbegründung 332
- 10.1 Einleitung 332
- 10.2 Krafts moralische und ethische Auffassungen in der Wiener-Kreis-Periode 337
- 10.3 Krafts moralische und ethische Auffassungen nach der Wiener-Kreis-Periode 371
- 10.3.1 Moralbegründung auf Grundlage der Kultur : Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre , 2. Auflage ( 1951 ) 371
- 10.3.2 Moralbegründung auf Grundlage natürlicher Ziele : Rationale Moralbegründung ( 1963 ) 374
- 10.3.3 Moralbegründung auf der Grundlage primärer Strebensziele : Die Grundlagen der Erkenntnis und der Moral ( 1968 ) 377
- 10.4 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 383
- 11. Herbert Feigl : Pragmatische Moralbegründung 387
- 12. Systematische Zusammenfassung und allgemeine Schlussbemerkungen 402
- 12.1 Mangelndes Interesse an Moral als Menschen und Bürgerinnen oder Bürger 402
- 12.2 Geteilte moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 403
- 12.3 Differenzierungen in den Moralkonzeptionen 404
- 12.4 Differenzierungen in den Ethikkonzeptionen 409
- 12.5 Ausblick auf zukünftige Forschung 412
- 12.6 Allgemeine Schlussbemerkungen 413
- Literatur 417
- Abkürzungen 440
- Bildquellennachweis 440
- Personenregister 441