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8. Philipp Frank : Pragmatische Ethik und relativierte Moral
264 Dieser Beitrag erschien in der Reihe Contributions to the Analysis and Synthesis of Know-
ledge , die neben dem Unity of Science Forum in Synthese ein Publikationsorgan des Insti-
tuts waren. ( Reisch 2005 , 296 )341 Das Institut verlor schließlich die Finanzierung durch die
Rockefeller Foundation und musste 1955 seine Arbeit einstellen. ( Reisch 2005 , 308 )
Frank musste im Wiener Kreis und der Unity-of-Science-Bewegung oft genug als Ver-
mittler fungieren. So schreibt Neurath an Frank in Bezug auf die Einführung in die Pra-
ger Vorkonferenz der internationalen Kongresse für Einheit der Wissenschaft :
Sie müssen beginnen , weil sie das sozialste Wesen unter uns sind. ( Neurath an Frank , 6. August
1934 , Nachlass Neurath , Inv.-Nr. 235 ; zit. n. Nemeth 2010 , 219 , Fn. 3 )
Nemeth bemerkt hierzu insgesamt :
Tatsächlich bezeugt die Korrespondenz zwischen Philipp Frank und Neurath in der zwei-
ten Hälfte der 1930er Jahre , wie oft Frank klärend und vermittelnd in Auseinandersetzungen
einzugreifen suchte
– sei es in den Differenzen zwischen Schlick und Neurath , sei es bei den
Vorbereitungen für die Pariser Kongresse 1935 und 1937 , wo er versuchte , die Wogen zwischen
den Franzosen Rougier und Boll zu glätten. ( Nemeth 2010 , 219 f. , Fn. 3 )
So urteilt Frank beispielsweise über Schlicks Fragen der Ethik :
Versuch zum Aufbau eines ethischen Systems , das auf gegenseitige Liebe als Naturphäno-
men beruht , wobei metaphysische Unklarheiten vermieden werden. Das Buch ist klar und
sympathisch geschrieben. ( Frank 1950 [ 1952 , 107 ])
Neurath wäre ein solches Urteil über Schlicks Ethik , der sich das folgende Kapitel wid-
met , nie über die Lippen gekommen.
341 Der Reihe Contributions war nicht viel Erfolg beschieden. Die Beiträge verwendeten zu viel techni-
sches Vokabular und Fachjargon , um den Auftrag , die Kooperation zwischen Naturwissenschaften ,
Gesellschaftswissenschaften und Geisteswissenschaften zu verbessern , erfüllen zu können. Ein inte-
grativer Beitrag kam von Morris’ Studentin Laura Thompson und ein letzter 1954 von Else Frenkel-
Brunswik ( „Psychoanalysis and the Unity of Science“ ). ( Reisch 2005 , 300 ) Es handelt sich um jene
Else Frenkel , die in Wien Schlicks Seminar zu G. E. Moore besucht und den im Schlick-Kapitel zi-
tierten Protokollteil verfasst hatte. Else Frenkel hatte in Wien Mathematik , Physik und Psychologie
studiert und sich zur Psychoanalytikerin ausbilden lassen. Sie war Mitarbeiterin von Charlotte und
Karl Bühler. Nach ihrer Flucht 1938 in die USA heiratete sie den Psychologen Egon Brunswik , der
wiederholt auf den Internationalen Kongressen für die Einheit der Wissenschaft vortrug. Eines ih-
rer Hauptforschungsthemen an der University of Berkeley war der Antisemitismus. Sie ist eine der
vier Autorinnen und Autoren der berühmten Studie über autoritäre Persönlichkeit ( Adorno / Fren-
kel-Brunswik / Levinson / Sanford 1950 ). Frenkel-Brunswik verstarb 1958.
Ethik und Moral im Wiener Kreis
Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ethik und Moral im Wiener Kreis
- Untertitel
- Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
- Autor
- Annemarie Siegetsleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79533-9
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 450
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 13
- 2. Terminologische Klärungen 37
- 3. Moral und Ethik im Wiener Kreis und die Standardauffassung logisch- empiristischer Ethik 52
- 4. Das kulturelle Umfeld des politischen und moralischen Engagements 67
- 5. Rudolf Carnap : Individualistischer Dezisionismus und wissenschaftlicher Humanismus 89
- 5.1 Einleitung 89
- 5.2 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik vor der Wiener-Kreis-Periode 92
- 5.3 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik in der Wiener-Kreis-Periode 111
- 5.3.1 Der logische Aufbau der Welt ( 1928a ) und die Konstitution von Werten 111
- 5.3.2 Scheinprobleme in der Philosophie ( 1928b ) 120
- 5.3.3 „Wissenschaft und Leben“ ( 1929b ) 123
- 5.3.4 „Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“ ( 1931/32 ) 129
- 5.3.5 „Theoretische Fragen und praktische Entscheidungen“ ( 1934a ) 133
- 5.3.6 Philosophy and Logical Syntax ( 1935 ) 136
- 5. 3. 7 Carnaps moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 138
- 5.3.8 Carnaps individualistischer Dezisionismus und die Lebenspraxis 141
- 5.3.9 Möglichkeiten und Grenzen der Ethik 148
- 5.4 Spätphase : Optative 149
- 5.5 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 160
- 6. Karl Menger : Mathematische Modelle für ein verträgliches Zusammenleben 163
- 6.1 Einleitung 163
- 6.2 Mengers Logik der Sitten 168
- 6.3 Mengers Moralauffassung 177
- 6.3.1 Moral 1. und 2. Stufe , Basismoralen 177
- 6.3.2 Sinn und Zweck der / einer Moral 177
- 6.3.3 Kritik am Kategorischen Imperativ 179
- 6.3.4 Mengers Konzeption der Moralsprache : Semantischer Nonkognitivismus 180
- 6.3.5 Moralische Erkenntnis : Fundamentaler Nonkognitivismus und systemimmanenter Kognitivismus 182
- 6.4 Mengers Ethikverständnis 186
- 6.5 Menger und die Angewandte Ethik 193
- 6.6 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 194
- 7. Otto Neurath : Moral auf der Grundlage gemeinsam beschlossener humanistischer Lebensgrundsätze und Ethik in der Einheitswissenschaft 196
- 8. Philipp Frank : Pragmatische Ethik und relativierte Moral 251
- 9. Moritz Schlick : Eudämonistische Ethik als Weisheitslehre 265
- 10. Victor Kraft : Zwei-Komponenten-Kognitivismus und rationale Moralbegründung 332
- 10.1 Einleitung 332
- 10.2 Krafts moralische und ethische Auffassungen in der Wiener-Kreis-Periode 337
- 10.3 Krafts moralische und ethische Auffassungen nach der Wiener-Kreis-Periode 371
- 10.3.1 Moralbegründung auf Grundlage der Kultur : Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre , 2. Auflage ( 1951 ) 371
- 10.3.2 Moralbegründung auf Grundlage natürlicher Ziele : Rationale Moralbegründung ( 1963 ) 374
- 10.3.3 Moralbegründung auf der Grundlage primärer Strebensziele : Die Grundlagen der Erkenntnis und der Moral ( 1968 ) 377
- 10.4 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 383
- 11. Herbert Feigl : Pragmatische Moralbegründung 387
- 12. Systematische Zusammenfassung und allgemeine Schlussbemerkungen 402
- 12.1 Mangelndes Interesse an Moral als Menschen und Bürgerinnen oder Bürger 402
- 12.2 Geteilte moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 403
- 12.3 Differenzierungen in den Moralkonzeptionen 404
- 12.4 Differenzierungen in den Ethikkonzeptionen 409
- 12.5 Ausblick auf zukünftige Forschung 412
- 12.6 Allgemeine Schlussbemerkungen 413
- Literatur 417
- Abkürzungen 440
- Bildquellennachweis 440
- Personenregister 441