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9.2 Schlicks moralische und ethische Auffassungen vor seiner Wiener-Kreis-Periode
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die Reflexion des Lichtes in einer inhomogenen Schicht bei Max Planck , der ihm zeitle-
bens verbunden blieb.346 Noch 1938 erwähnte Planck in seiner Tischrede auf dem Fest-
bankett zu seinem 80. Geburtstag Schlick lobend. ( Dazu und zum Briefwechsel siehe
Hoffmann 2008. ) Schlicks Dissertation blieb im Übrigen seine letzte erwähnenswer-
te physikalische Publikation. Wobei jedoch nicht unerwähnt bleiben darf , dass gera-
de die populärwissenschaftliche Einführung in Einsteins Relativitätstheorie in „Raum
und Zeit in der gegenwärtigen Physik“ ( Schlick 1917 ) maßgeblich zu Schlicks Reputa-
tion beitrug.347 Nun war sein Name nicht nur mit Planck , sondern darüber hinaus mit
Einstein verbunden.
Nach seiner Promotion wollte Schlick seine Studien in Göttingen fortsetzen , um
sich dort der Experimentalphysik zuzuwenden. Die Physikstudien kamen jedoch nicht
recht voran. Ebenso wenig half ein Wechsel von Göttingen nach Heidelberg.348 Zu-
nehmend konzentrierte sich Schlick auf seine Schrift über das menschliche Glück , die
schließlich unter dem Titel Lebensweisheit erscheinen sollte. ( Schlick [ Autobiogra-
phie ], Nachlass Schlick , Inv.-Nr. 82 , C. 2b , 12 )349 In seiner autobiografischen Skizze
teilt er sogar mit , er hätte auf den Namen eines Philosophen keinen Anspruch erho-
ben , so sich sein Nachdenken auf das Gebiet der erkenntnistheoretischen Grundlagen
der Naturwissenschaft beschränkt hätte. ( Schlick [ Autobiographie ], Nachlass Schlick ,
Inv.-Nr. 82 , C. 2b , 2 )
346 In der Schlickforschung wird gerne betont , wie besonders es sei , bei Planck promoviert zu haben , da
dieser nur wenige Doktoranden akzeptierte. ( Doktorandinnen oder Habilitandinnen hatte Planck
keine. Lise Meitner war von 1913–1915 seine Assistentin ; siehe dazu Hoffmann 2008 , 56–58 ). Es ist
jedoch nicht bekannt , aus welchen Gründen Planck Schlick zur Betreuung annahm. Die persönli-
chen Beziehungen waren jedenfalls gut , wie der Briefwechsel belegt. Am 23. November 1919 musste
Planck seine Teilnahme an einem Festakt der Rostocker Universität , an dem er nicht zuletzt auf Be-
treiben Schlicks eine Ehrendoktorwürde erhalten sollte , absagen. Bereits seine zweite Tochter war
kurz nach der Geburt eines Kindes verstorben.
347 In diesem Zusammenhang hatte wie mancher Kollege auch Schlick so seine Schwierigkeiten mit
Oskar Kraus. Dieser behauptete u. a. in einer Publikation , Schlick würde eine Absurdität der Relati-
vitätstheorie rechtfertigen. Schlick nimmt dazu in einer Fußnote in „Über den Begriff der Ganzheit“
( 1935 /36 ) sehr vehement Stellung : „Man muß also vermuten , daß Herr Kraus seine Behauptung nur
aufstellte , weil er eine ihm unsympathische philosophische Richtung diskreditieren wolle.“ ( Schlick
1935 /36 [ 2008 , 689 , Fn. 1 ]) Einstein hingegen nannte Schlicks Darlegung in einem Brief „meister-
haft“ ( Einstein an Arnold Sommerfeld , 1. Februar 1918 ; abgedruckt in : Einstein / Sommerfeld 1968 ,
43–47 , hier 47 ).
348 Dort hielt sich seine zukünftige Frau Blanche Guy Hardy auf , die später wehmütig darauf zurück-
blickte , wie sie ihre eigenen Studienziele der Ehe wegen aufgeben hatte müssen : „Ambitions for tak-
ing higher degrees were greatly diminished by my becoming engaged to a young philosopher [ … ],
who urged marriage in preference to blue-stocking attainments.“ ( Cushing Bulletin 1963 , 14 ; zit. n.
Iven 2008a , 125 , Fn. 3 )
349 Zudem empfahl er sich seiner zukünftigen Schwiegermutter als Autor eines ethischen Buches.
( Schlick an Frances E. Hardy , 1. April 1906 ; abgedruckt in : Iven 2008a , 127 f. )
Ethik und Moral im Wiener Kreis
Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ethik und Moral im Wiener Kreis
- Untertitel
- Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
- Autor
- Annemarie Siegetsleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79533-9
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 450
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 13
- 2. Terminologische Klärungen 37
- 3. Moral und Ethik im Wiener Kreis und die Standardauffassung logisch- empiristischer Ethik 52
- 4. Das kulturelle Umfeld des politischen und moralischen Engagements 67
- 5. Rudolf Carnap : Individualistischer Dezisionismus und wissenschaftlicher Humanismus 89
- 5.1 Einleitung 89
- 5.2 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik vor der Wiener-Kreis-Periode 92
- 5.3 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik in der Wiener-Kreis-Periode 111
- 5.3.1 Der logische Aufbau der Welt ( 1928a ) und die Konstitution von Werten 111
- 5.3.2 Scheinprobleme in der Philosophie ( 1928b ) 120
- 5.3.3 „Wissenschaft und Leben“ ( 1929b ) 123
- 5.3.4 „Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“ ( 1931/32 ) 129
- 5.3.5 „Theoretische Fragen und praktische Entscheidungen“ ( 1934a ) 133
- 5.3.6 Philosophy and Logical Syntax ( 1935 ) 136
- 5. 3. 7 Carnaps moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 138
- 5.3.8 Carnaps individualistischer Dezisionismus und die Lebenspraxis 141
- 5.3.9 Möglichkeiten und Grenzen der Ethik 148
- 5.4 Spätphase : Optative 149
- 5.5 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 160
- 6. Karl Menger : Mathematische Modelle für ein verträgliches Zusammenleben 163
- 6.1 Einleitung 163
- 6.2 Mengers Logik der Sitten 168
- 6.3 Mengers Moralauffassung 177
- 6.3.1 Moral 1. und 2. Stufe , Basismoralen 177
- 6.3.2 Sinn und Zweck der / einer Moral 177
- 6.3.3 Kritik am Kategorischen Imperativ 179
- 6.3.4 Mengers Konzeption der Moralsprache : Semantischer Nonkognitivismus 180
- 6.3.5 Moralische Erkenntnis : Fundamentaler Nonkognitivismus und systemimmanenter Kognitivismus 182
- 6.4 Mengers Ethikverständnis 186
- 6.5 Menger und die Angewandte Ethik 193
- 6.6 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 194
- 7. Otto Neurath : Moral auf der Grundlage gemeinsam beschlossener humanistischer Lebensgrundsätze und Ethik in der Einheitswissenschaft 196
- 8. Philipp Frank : Pragmatische Ethik und relativierte Moral 251
- 9. Moritz Schlick : Eudämonistische Ethik als Weisheitslehre 265
- 10. Victor Kraft : Zwei-Komponenten-Kognitivismus und rationale Moralbegründung 332
- 10.1 Einleitung 332
- 10.2 Krafts moralische und ethische Auffassungen in der Wiener-Kreis-Periode 337
- 10.3 Krafts moralische und ethische Auffassungen nach der Wiener-Kreis-Periode 371
- 10.3.1 Moralbegründung auf Grundlage der Kultur : Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre , 2. Auflage ( 1951 ) 371
- 10.3.2 Moralbegründung auf Grundlage natürlicher Ziele : Rationale Moralbegründung ( 1963 ) 374
- 10.3.3 Moralbegründung auf der Grundlage primärer Strebensziele : Die Grundlagen der Erkenntnis und der Moral ( 1968 ) 377
- 10.4 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 383
- 11. Herbert Feigl : Pragmatische Moralbegründung 387
- 12. Systematische Zusammenfassung und allgemeine Schlussbemerkungen 402
- 12.1 Mangelndes Interesse an Moral als Menschen und Bürgerinnen oder Bürger 402
- 12.2 Geteilte moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 403
- 12.3 Differenzierungen in den Moralkonzeptionen 404
- 12.4 Differenzierungen in den Ethikkonzeptionen 409
- 12.5 Ausblick auf zukünftige Forschung 412
- 12.6 Allgemeine Schlussbemerkungen 413
- Literatur 417
- Abkürzungen 440
- Bildquellennachweis 440
- Personenregister 441