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11. Herbert Feigl : Pragmatische Moralbegründung
398 are susceptible to a different type of justification , or “vindication” as I call it. The vindicative
argument can show that the adoption of the validating premises will achieve the ends we pur-
sue in the given context. ( Feigl 1974 [ 1981 , 14 ])
Die pragmatische , prudentielle Begründung der moralischen Grundprinzipien richtet sich
an alle Menschen , und eingedenk von deren Wünschen würden sie die Moral als Mittel
zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse und Interessen akzeptieren. Was die moralische Pra-
xis braucht , ist nach Feigl die Akzeptanz der Grund prinzipien. Dass dies aufgrund von
Erwägungen der Klugheit geschieht , stellt für ihn kein Problem dar. Aufgrund seiner zu-
sätzlichen Prämissen der gleichen Zwecksetzung liegen keine berechtigten Gründe für
beliebige individuelle Ausnahmestellungen vor. Eine Moral , die für den einen auf diesem
Wege prudentiell begründet ist , sei es für alle anderen auch :
A life that is conducted in accordance with the ideals of justice , kindness , brotherhood , free-
dom , love and self-perfection is the only one ( for normal human beings ) that promises genu-
ine satisfaction , perhaps even a measure of joy and happiness. ( Feigl 1974 [ 1981 , 19 ])
Feigl hatte schon 1943 ( als Reaktion auf einen Angriff Mortimer Adlers ) fest gestellt :
The acceptance of an absolute authority or extra-mundane sanction for morality , [ … ], mani-
fests a not fully liberated , pre-scientific type of mind. A completely grown-up mankind will
have to shoulder the responsibility for its outlook and conduct ; and in the spirit of an empir-
ical and naturalistic humanism it will acknowledge no other procedure than the experimen-
tal. ( Feigl 1943 , zit. n. Reisch 2005 , 359 )
Ob Feigl in seiner Konzeption der Moral und ihrem pragmatischen Begrün dungsversuch
auch einer persuasiven Definition der menschlichen Natur , die Feigl ebenso wie das
Nicht-Offenlegen moralischer Wertprämissen in Argumenten ablehnt , entgangen ist , ist
weniger offenkundig :
Thus , if it is argued that the “real nature” of being human involves the capacity for being fair ,
just , helpful , kind , and self-perfecting , then this simply conceals the exhortatory character of
this persuasive definition. It seems to me intellectually more honest to state quite explicitly
the nature of our moral-social commitments. ( Feigl 1974 [ 1981 , 19 ])
Bevor ich zu Feigls Auffassung von Ethik übergehe , will ich abschließend noch eine kur-
ze Bemerkung zur Willensfreiheit anfügen : In der Frage des freien Willens schließt sich
Feigl Hume , Mill , Sidgwick , Schlick und Hobart dahin gehend an , dass die Art von Ver-
antwortung , die für die moralische Verantwortlichkeit vorausgesetzt wird , mit dem De-
terminismus kompatibel ist. Ja mehr noch :
Ethik und Moral im Wiener Kreis
Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ethik und Moral im Wiener Kreis
- Untertitel
- Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
- Autor
- Annemarie Siegetsleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79533-9
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 450
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 13
- 2. Terminologische Klärungen 37
- 3. Moral und Ethik im Wiener Kreis und die Standardauffassung logisch- empiristischer Ethik 52
- 4. Das kulturelle Umfeld des politischen und moralischen Engagements 67
- 5. Rudolf Carnap : Individualistischer Dezisionismus und wissenschaftlicher Humanismus 89
- 5.1 Einleitung 89
- 5.2 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik vor der Wiener-Kreis-Periode 92
- 5.3 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik in der Wiener-Kreis-Periode 111
- 5.3.1 Der logische Aufbau der Welt ( 1928a ) und die Konstitution von Werten 111
- 5.3.2 Scheinprobleme in der Philosophie ( 1928b ) 120
- 5.3.3 „Wissenschaft und Leben“ ( 1929b ) 123
- 5.3.4 „Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“ ( 1931/32 ) 129
- 5.3.5 „Theoretische Fragen und praktische Entscheidungen“ ( 1934a ) 133
- 5.3.6 Philosophy and Logical Syntax ( 1935 ) 136
- 5. 3. 7 Carnaps moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 138
- 5.3.8 Carnaps individualistischer Dezisionismus und die Lebenspraxis 141
- 5.3.9 Möglichkeiten und Grenzen der Ethik 148
- 5.4 Spätphase : Optative 149
- 5.5 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 160
- 6. Karl Menger : Mathematische Modelle für ein verträgliches Zusammenleben 163
- 6.1 Einleitung 163
- 6.2 Mengers Logik der Sitten 168
- 6.3 Mengers Moralauffassung 177
- 6.3.1 Moral 1. und 2. Stufe , Basismoralen 177
- 6.3.2 Sinn und Zweck der / einer Moral 177
- 6.3.3 Kritik am Kategorischen Imperativ 179
- 6.3.4 Mengers Konzeption der Moralsprache : Semantischer Nonkognitivismus 180
- 6.3.5 Moralische Erkenntnis : Fundamentaler Nonkognitivismus und systemimmanenter Kognitivismus 182
- 6.4 Mengers Ethikverständnis 186
- 6.5 Menger und die Angewandte Ethik 193
- 6.6 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 194
- 7. Otto Neurath : Moral auf der Grundlage gemeinsam beschlossener humanistischer Lebensgrundsätze und Ethik in der Einheitswissenschaft 196
- 8. Philipp Frank : Pragmatische Ethik und relativierte Moral 251
- 9. Moritz Schlick : Eudämonistische Ethik als Weisheitslehre 265
- 10. Victor Kraft : Zwei-Komponenten-Kognitivismus und rationale Moralbegründung 332
- 10.1 Einleitung 332
- 10.2 Krafts moralische und ethische Auffassungen in der Wiener-Kreis-Periode 337
- 10.3 Krafts moralische und ethische Auffassungen nach der Wiener-Kreis-Periode 371
- 10.3.1 Moralbegründung auf Grundlage der Kultur : Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre , 2. Auflage ( 1951 ) 371
- 10.3.2 Moralbegründung auf Grundlage natürlicher Ziele : Rationale Moralbegründung ( 1963 ) 374
- 10.3.3 Moralbegründung auf der Grundlage primärer Strebensziele : Die Grundlagen der Erkenntnis und der Moral ( 1968 ) 377
- 10.4 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 383
- 11. Herbert Feigl : Pragmatische Moralbegründung 387
- 12. Systematische Zusammenfassung und allgemeine Schlussbemerkungen 402
- 12.1 Mangelndes Interesse an Moral als Menschen und Bürgerinnen oder Bürger 402
- 12.2 Geteilte moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 403
- 12.3 Differenzierungen in den Moralkonzeptionen 404
- 12.4 Differenzierungen in den Ethikkonzeptionen 409
- 12.5 Ausblick auf zukünftige Forschung 412
- 12.6 Allgemeine Schlussbemerkungen 413
- Literatur 417
- Abkürzungen 440
- Bildquellennachweis 440
- Personenregister 441