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Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen
1. Praktisch theologische Herangehensweise
Norbert Mette nennt drei Hauptaufgaben der Praktischen Theologie: „eine Erkundung
der ‚Zeichen der Zeit‘[…], deren Interpretation bzw. Deutung im Lichte des Evangeliums
und ein konzeptionelles Entwerfen von daraus sich ergebenden Handlungsprioritäten.“3
Eine angemessene Berücksichtigung der Zeichen der Zeit4 umfasst im methodischen
„zyklischen Vierschritt“5 das „Orientieren“ und das „Sehen“, die dem „Urteilen“ und
„Handeln“ vorausgehen. Dieses „Orientieren“ und „Sehen“ erfordert eine Wahrneh-
mung dessen, was die Menschen heute beschäftigt, eine Zuwendung zu kontextuellen
und biographischen Voraussetzungen von Menschen und eine Analyse und Refle-
xion der Bedingungen, „unter denen die Wahrheit des Glaubens in der alltäglichen
Lebenspraxis Wirklichkeit werden kann, um auf der Basis solcher Erkenntnisse qua-
lifizierte Lernprozesse des Glaubens initiieren und begleiten zu können“,6 was den
praktisch-theologischen Fächern besonders als Aufgabe zukommt. „Jede Beschäfti-
gung mit Themen, die den Menschen in seiner Grundverfassung betreffen, hat theolo-
gische Signifikanz.“7 Die sogenannte „anthropologische Wende“ in der Theologie hat
eine „verstärkte Rückbesinnung auf die biblische Einsicht, dass es im Glauben nicht
vorrangig um abstrakte Wahrheiten geht, sondern um die Menschen in ihrer konkre-
ten Existenz“ erbracht.8 Praxis ist eine „konstitutive Dimension des Theologietreibens
selbst“9 und nicht Anwendung einer Theorie.
Dem „Sehen“ geht das „Orientieren“ voraus, in dem die Ausgangsbedingungen
und die Perspektive der forschenden Person offengelegt werden, was eine Grund-
3 Mette, Norbert (2005): Einführung in die katholische Praktische Theologie. Darmstadt:
Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 41.
4 „Zur Erfüllung dieses ihres Auftrags obliegt der Kirche allzeit die Pflicht, nach den
Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten.“ (GS, Pas-
torale Konstitution. Über die Kirche in der Welt von heute, Artikel 4. Unter anderem ist
Gaudium et spes zu finden in: Pastoralkonstitution. Die Kirche in der Welt von heute.
In: Rahner, Karl/Vorgrimler, Herbert (352008): Kleines Konzilskompendium. Sämtliche
Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils. Freiburg/Basel/Wien: Herder, 449–552).
5 Diesem liegt der Dreischritt Sehen-Urteilen-Handeln zugrunde, der von J. Cardijn entwi-
ckelt und von Johannes XXIII. in der Enzyklika „Mater et magistra“ (1961, 236) bekräftigt
worden ist. Vgl. Boschki, Reinhold (2007): Der phänomenologische Blick: „Vierschritt“
statt „Dreischritt“ in der Religionspädagogik. In: Boschki, Reinhold/Gronover, Matthias:
Junge Wissenschaftstheorie der Religionspädagogik. Berlin: LIT 2007, 25–47.
6 Mette, Norbert (2006): Religionspädagogik. Düsseldorf: Patmos, 269.
7 Boschki, Reinhold (2007): Der phänomenologische Blick. In: Boschki, Reinhold/Grono-
ver, Matthias: Junge Wissenschaftstheorie der Religionspädagogik, 25–47, 32.
8 Mette, Norbert (2005): Einführung in die katholische Praktische Theologie, 63.
9 Mette, Norbert (2006): Religionspädagogik, 269.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279