Seite - 32 - in Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten - Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
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Es wird von der sinnlichen Wahrnehmung ausgegangen. Religiöse Gestaltungen
wahrzunehmen gilt als der erste Schritt, religiöse Wirklichkeit zu erschließen. Die
von der Wahrnehmung ausgelösten Empfindungen können thematisiert werden und zu
Erfahrungen verarbeitet werden, die sowohl kognitiv als auch pragmatisch an andere
Erfahrungsbereiche anschließen können.121 Die Erfahrungen sind vom Subjekt und
vom Gegenstand abhängig. Die Bedeutung sowohl des Subjekts, des Gegenstandes als
auch der Gemeinschaft und deren Wechselwirkung werden in dieser Sicht auf Wahr-
nehmung hervorgehoben. Betont wird, dass religiöse Bildung nicht auf Wahrnehmung
begrenzt bleibt, sondern diese durch Ausdruck ergänzt wird, der wiederum wahrge-
nommen werden kann. Wahrnehmung und der Ausdruck des Wahrgenommenen sind
somit für eine religiöse Bildung unverzichtbar.122
Der enge Zusammenhang von Wahrnehmung und Ausdrucksformen sowohl im
phänomenologischen, im ästhetischen und im handlungstheoretischen Zugang zu den
Begriffen verdeutlicht, dass die vorliegende Untersuchung den drei genannten Zugän-
gen zugeordnet werden kann. Werden diese Sichtweisen vereinzelt betrachtet, werden
sie der Wechselbeziehung zwischen subjektivem, objektivem und gemeinschaftlichem
Aspekt nicht gerecht.123
6.7 Religiöse Bildung
In dieser Publikation wird religiöse Bildung als ein Recht des Menschen gesehen, wie
dies in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, Artikel 26 festgeschrieben ist:
„Die Bildung muß auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und auf
die Stärkung der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten gerichtet
sein. Sie muß zu Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen allen Nationen und
allen rassischen oder religiösen Gruppen beitragen und der Tätigkeit der Vereinten
Nationen für die Wahrung des Friedens förderlich sein.“
Ebenso formuliert wird dieses Recht in der Charta der Grundrechte, Artikel 10:
„Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Die-
ses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln,
und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit
anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht, Bräuche und Riten zu
bekennen.“124
121 Ebd., 233.
122 Ebd., 234.
123 Ebd., 231.
124 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010/C 83/02). Amtsblatt der Euro-
päischen Union, Artikel 10, http://www.awsg.at/Content.Node/files/sonstige/Charta_der_
Grundrechte_der_Europaeischen_Union.pdf. [22.07.2015].
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279