Seite - 279 - in Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten - Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
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Abstract
Religiöse Pluralität ist ein Faktum der Gesellschaft, wobei der Kern dieser Pluralität
Differenz ist (Nipkow 1998). Differenzsensibel agieren zu können und somit zu einem
friedlichen Zusammenleben beizutragen, scheint eine wesentliche Herausforderung der
Gegenwart zu sein. Aufgrund der bisherigen Forschungsergebnisse zu religiöser Diffe-
renz (Hoffmann 2009; Edelbrock/Schweitzer/Biesinger 2010; Connolly 2009 u. a.) und
entwicklungspsychologischen Erkenntnissen (Elkind 1964; Schneider 2012) wird deut-
lich, dass Kinder religiöse Differenz erkennen können und sie diese beschäftigen kann.
Um differenzsensiblen Umgang in der Organisation Kindergarten weiterzuentwickeln,
wird empirische Grundlagenforschung benötigt, die die gesamte Organisation unter der
Perspektive von religiöser Differenz in den Blick nimmt. Das Forschungsprojekt stellt
diesen Anspruch, indem die Forschungsfrage leitend ist, wie in Kindergärten mit religi-
öser Differenz umgegangen wird und wie Kinder diese thematisieren.
Unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Kindheitsforschung (Heinzel 2012)
wurde ein ethnographischer Zugang in Verbindung mit der Grounded Theory (Strauss/
Corbin 1996) und dem Thematischen Kodieren (Flick 2012) gewählt. Datenerhebung
und Datenauswertung waren somit ein sich wechselseitig bedingender Prozess, der
mit Thematischer Sättigung in den beiden Kindergärten als abgeschlossen galt.
Das Untersuchungsdesign, das sich im Laufe des Forschungsprozesses entwickelte,
bestand aus Teilnehmender Beobachtung, die ein Jahr lang stattfand, aus Expertin-
nen- und Experteninterviews mit den Leitungen der beiden Kindergärten, Gruppen-
diskussionen mit den Pädagoginnen und Gruppendiskussionen mit den Kindern. Die
Feldforschung fand in einem Kindergarten in katholischer und einem Kindergarten in
islamischer Trägerschaft im selben Bezirk in Wien statt, wobei Kinder verschiedener
Religionszugehörigkeiten die beiden Kindergärten besuchten.
Die Ergebnisse verweisen auf einen Zusammenhang zwischen der Bereitschaft der
Kinder, ihre eigene Religion und religiösen Ausdrucksformen zu thematisieren, und
dem Umgang der Organisation mit religiöser Differenz. In den beiden Kindergärten
ist die Religion der Trägerschaft, die zugleich die größere Religion im jeweiligen Kin-
dergarten ist, dominant, während andere Religionen im Kindergarten kaum erkennbar
sind und thematisiert werden. Dementsprechend fühlen sich die Kinder der größeren
Religion im Kindergarten zugehörig, während die Kinder der kleineren Religionen über
ihre Religion und ihre religiösen Ausdrucksformen schweigen und in ihrer religiösen
Differenz nicht auffallen, worin der Wunsch nach Zugehörigkeit deutlich wird.
Die Arbeit schließt mit einem Ausblick, wie dieser Benachteiligung in elementaren
Bildungseinrichtungen auf sensible Weise begegnet und zu einer Kultur der Aner-
kennung beigetragen werden kann. Die dafür erforderliche Entwicklung elementarer
Bildungseinrichtungen wird in Rückgriff auf Schulentwicklungsprozesse (Rolff u. a.
2011) unter den Perspektiven der Organisations-, Personal- und Bildungsangebots-
entwicklung in den Blick genommen.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279