Seite - 167 - in Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten - Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
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zur Aufführung ebenso wie bei der Aufführung, bei denen Kinder weinen und nicht
mitmachen möchten, dies aber dennoch müssen. Religiöse Differenz ist bei diesem
Zugang zu Religion ein störender Faktor, der nicht beachtet wird.
Religion als „Sache der Privatsphäre“
Die Pädagoginnen sehen es als Aufgabe der Eltern, die Kinder religiös zu erziehen und
ihnen die Information über deren Religion zukommen zu lassen, da der Kindergarten
das nicht leisten könne, weil die Pädagoginnen nicht über alle Religionen Bescheid
wissen könnten. Außerdem würden zu viele religiöse Themen und zu viele religiöse
Feiern dem Interesse der Kinder nicht gerecht werden. Ohne die Eltern und Kinder
gefragt zu haben, ob sie Feste ihrer Religion im Kindergarten feiern möchten, wird
angenommen, dass Eltern daran nicht interessiert seien. Die Pädagogin vermutet, dass
die Eltern nicht wollen, dass eine Ungläubige, die sie meint, in den Augen mancher
Eltern zu sein, deren Kinder religiös bilde. Die Verantwortung, den Kindern über reli-
giöse Ausdrucksformen der kleineren Religionen im Kindergarten zu erzählen, liege
bei den Eltern. Wenn Kinder bei bestimmten Festen im Kindergarten nicht teilnehmen
oder bestimmte Gesten, wie das Kreuzzeichen, nicht durchführen dürfen, obliege es
den Eltern, den Kindern den Grund hierfür zu erklären.
4.1.4 Dominanz einer Religion
Dominanz der größeren Religion – wenig Anerkennung
der kleineren Religionen
Im Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten kann die Dominanz der größeren
Religion, die zugleich die Religion der jeweiligen Trägerschaft ist, in beiden Kin-
dergärten als übergeordnete Kategorie festgestellt werden. In der Art und Weise, wie
Religion im Kindergarten thematisiert und wie mit religiöser Differenz umgegangen
wird, zeigt sich eine Bevorteilung der größeren Religion und wenig Anerkennung der
kleineren Religionen. Auch wenn die im Kindergarten Tätigen – wie es in der ers-
ten Kategorie, „Konzeptuelle Überlegungen zu Religion und religiöser Differenz“640
aufgezeigt wird – sich religiöser Differenz gegenüber positiv äußern, wird die The-
matisierung von religiöser Differenz bis auf einige zaghafte Versuche, die auf enga-
gierte Pädagoginnen und nicht auf organisationale Verankerung zurückzuführen sind,
weitgehend vermieden. Hierfür werden verschiedene Gründe wie gleiche Behandlung
aller Kinder, Vermeidung von Herausforderungen und Konflikten, Gestaltung von
Religion zur Zufriedenheit aller Beteiligten, Traditionsgebundenheit der Gestaltung
von Religion, Mangel an Wissen, Religion als Wertevermittlung, Religion als Insze-
nierung und Religion als „Sache der Privatsphäre“ angeführt. Der Kindergartenalltag
ist von der größeren Religion geprägt und die Erkennbarkeit religiöser Differenz wird
640 Vgl. Kategorie „Konzeptuelle Überlegungen zu Religion und religiöser Differenz“ (Teil
V, 4.1.1).
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279