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6.4 Expertinnen und Experteninterview
Die Frage, wer als Experte oder als Expertin gilt, wird im Zusammenhang mit dem
jeweiligen Handlungsfeld und unter Berücksichtigung des Untersuchungsspektrums
der empirischen Erhebung beantwortet.513 Annäherungsweise kann der Begriff der
Expertin oder des Experten folgendermaßen definiert werden:
„Der Experte verfügt über technisches, Prozess- und Deutungswissen, das sich auf sein
spezifisches professionelles oder berufliches Handlungsfeld bezieht. Insofern besteht
das Expertenwissen nicht allein aus systematisiertem, reflexiv zugänglichem Fach-
oder Sonderwissen, sondern es weist zu großen Teilen den Charakter von Praxis- oder
Handlungswissen auf, in das verschiedene und durchaus disparate Handlungsmaximen
und individuelle Entscheidungsregeln, kollektive Orientierungen und soziale Deu-
tungsmuster einfließen. Das Wissen des Experten, seine Handlungsorientierungen,
Relevanzen usw. weisen zudem – und das ist entscheidend – die Chance auf, in der
Praxis in einem bestimmten organisationalen Funktionskontext hegemonial zu werden,
d. h., der Experte besitzt die Möglichkeit zur (zumindest partiellen) Durchsetzung sei-
ner Orientierungen. Indem das Wissen des Experten praxiswirksam wird, strukturiert
es die Handlungsbedingungen anderer Akteure in seinem Aktionsfeld in relevanter
Weise mit.“514
Bogner und Menz unterscheiden drei verschiedene Typologien des Expertinnen- und
Experteninterviews,515 das „explorative“, das „systematisierende“ und das „theoriege-
nerierende“ Experteninterview.516 Explorative Expertinnen- und Experteninterviews
können einer ersten Orientierung in einem Feld dienen, das Problembewusstsein der
forschenden Person schärfen oder Informationen für die Erstellung eines Leitfadens
liefern.517 „Explorative Interviews helfen in diesem Sinne das Untersuchungsgebiet
thematisch zu strukturieren und Hypothesen zu generieren.“518 Explorative Interviews
sind möglichst offen zu führen, „doch empfiehlt es sich schon aus Gründen demons-
trativer Kompetenz, zumindest zentrale Dimensionen des Gesprächsverlaufs vorab in
einem Leitfaden zu strukturieren.“519 Das systematisierende Expertinnen- und Exper-
teninterview zielt auf „systematische und lückenlose Informationsgewinnung.“520
Anders als beim explorativen Expertinnen- und Experteninterview steht bei diesem
513 Vgl. Bogner, Alexander/Menz, Wolfgang (22005): Das theoriegenerierende Experten-
interview. Erkenntnisinteresse, Wissensform, Interview. In: Bogner, Alexander/Littig,
Beate/Menz, Wolfgang (Hg.): Das Experteninterview. Theorie, Methode, Anwendung.
Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften [2002], 33–70, 46.
514 Ebd. Im Original ist dieser Abschnitt kursiv gesetzt.
515 Vgl. ebd., 37.
516 Vgl. ebd., 36–39.
517 Ebd., 37.
518 Ebd.
519 Ebd.
520 Ebd.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279