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Bezogen auf elementare Bildungseinrichtungen hat besonders die globale Umwelt
und in dieser die politisch-rechtliche Umwelt sowie die sozio-kulturelle Umwelt677
einen Einfluss auf die Organisation, wohingegen die Organisation auch die Umwelt
beeinflussen kann. „Constructing early childhood education and care services as
democratic and social spaces for autonomy, belonging and connectedness, also means
connecting to the local social and cultural context in which the institution is placed.“678
1.2 Der Kindergarten als gesellschaftlicher Raum
In Organisationen können sich gesellschaftliche Tendenzen widerspiegeln. Elementare
Bildungseinrichtungen sind demokratische und soziale Räume, die mit den örtlichen
sozialen, kulturellen und religiösen Kontexten verwoben sind. So kann die Einstellung
der Gesellschaft zu Religionen oder religiöser Differenz die Organisation Kindergar-
ten beeinflussen. 2010 wurde in Deutschland, den Niederlanden, Frankreich, Däne-
mark und Portugal eine Erhebung über die Stimmung in der Bevölkerung anderen
Religionen gegenüber durchgeführt. Es wurde der Frage nachgegangen, ob Vorbehalte
gegenüber dem Fremden existieren oder ob Vielfalt als Chance betrachtet wird und
wie hoch die Akzeptanz nicht-christlicher Gemeinschaften ist. Ungefähr 1.000 Per-
sonen gaben in jedem Land Auskunft. Im Vergleich ist die „Haltung der Deutschen
gegenüber fremden Religionsgemeinschaften, vor allem gegenüber dem Islam […]
deutlich kritischer als in allen anderen untersuchten Ländern.“679 Religiöse Vielfalt
wurde von der Mehrheit als Ursache für Konflikte angesehen. „Während die meisten
Europäer Religionsvielfalt auch als kulturelle Bereicherung betrachten, stimmt hier
nur knapp die Hälfte der Deutschen zu.“680 Dieser kritische Blick auf religiöse Vielfalt
in der Gesellschaft kann mit sich bringen, dass in Kindergärten, die ein Spiegelbild
der Gesellschaft sind, religiöser Differenz mit Skepsis begegnet wird. Eine rechtliche
Gleichstellung verschiedener Kirchen und Religionsgesellschaften bewirkt nicht das
gleiche Maß an gesellschaftlicher Anerkennung.681 Die deutlich höheren Anmeldezah-
len von Kindern muslimischer Eltern in einem Kindergarten in katholischer Träger-
schaft gegenüber den Anmeldezahlen christlicher Kinder im Kindergarten in islami-
677 Auch die technologische, ökologische und makroökonomische Umwelt können einen
Einfluss auf elementare Bildungseinrichtungen haben, vgl. Schreyögg, Georg (1999):
Organisation, 312f.
678 Kjørholt, Anne Trine (2011): Rethinking young children’s rights for participation in
diverse cultural contexts. In: Kernan, Margaret/Singer, Elly (Hg.): Peer Relationships in
Early Childhood Education and Care. London/New York: Routledge, 38–48, 46.
679 Pollack, Detlef/Friedrich, Nils (2013): Religiöse Vielfalt – Bedrohung oder Chance.
Forschung. Spezial Demografie 38(1), 34–37.
680 Ebd., 36.
681 Vgl. Jäggle, Martin (2007): Religiöse Pluralität in Europa – Religionen – Religionslosig-
keit. In: Bock, Irmgard/Dichtl, Johanna/Herion, Horst/Prügger, Walter (Hg.): Europa als
Projekt. Berlin: LIT, 51–67, 52.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279