Seite - 139 - in Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten - Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
Bild der Seite - 139 -
Text der Seite - 139 -
© Waxmann Verlag GmbH. Nur für den privaten Gebrauch. 139
kussion durch hohe Interaktion gekennzeichnet ist – die Diskursorganisation genannt
werden.
3.3.1 Kindergarten in katholischer Trägerschaft
Es fanden längere Gruppendiskussionen nach dem Martinsfest, nach dem Osterfest,
nach dem Opferfest und im Advent statt. Gerne und ausführlich unterhielten sich die
Kinder über gemeinsame Erlebnisse wie einen Bauernhofbesuch oder ein Geburts-
tagsfest. Die Gespräche über die religiösen Feste blieben bis auf einzelne Passagen auf
die Forscherin konzentriert.
Gruppendiskussion über das Martinsfest mit Mw, Sw und Ew: Die Diskussion mit Mw,
einem fünfjährigen, christlichen Mädchen, Sw, einem fünfjährigen, muslimischen
Mädchen und Ew, einem vierjährigen, muslimischen Mädchen fand am Tag nach dem
Martinsfest im Zimmer der Leiterin statt. Obwohl die Fragen an alle gerichtet waren,
dominierten die Redebeiträge von Mw die Diskussion.
Ein wesentliches Thema der Gruppendiskussion ist die von Mw thematisierte
Abwesenheit von Sw beim Martinsfest, die Mw am Beginn des Gesprächs erwähnt,
worauf Sw mit lauter Stimme ihre Anwesenheit beim Martinsfest betont. Mw ist
bemüht, die Meinungsverschiedenheit zu klären und fragt Sw, ob sie das Martinsfest
zu Hause gefeiert habe, was diese verneint. Die Meinungsverschiedenheit zwischen
den beiden Kindern besteht während des gesamten Gesprächs fort und flackert immer
wieder auf. Sw möchte Mw von ihrer Anwesenheit überzeugen, indem sie von der
Probe des Martinsfestes erzählt. Mw untermauert ihre Meinung durch Indizien wie
der Abwesenheit von Sw bei einem Tanz, der beim Fest vorgeführt worden sei. Als
Erklärung für die Abwesenheit von Sw greift Mw ein Konfliktgespräch auf, das am
Tag zuvor im Gang des Kindergartens stattgefunden habe, in welchem die Mutter
von Sw gemeinsam mit einer Verwandten, die als Dolmetscherin fungiert habe, den
Kindergartenpädagoginnen erklärt habe, dass Sw kein Kreuz im Kindergarten machen
solle und die Kindergartenpädagoginnen dies unterbinden sollten. Mw weiß keine
Erklärung, warum Sw kein Kreuz machen solle, da sie weiter nichts gehört habe.
Gruppendiskussion über das Martinsfest mit Aw, Bw und Rw: In der zweiten Grup-
pendiskussion, ebenfalls am Tag nach der Feier des Martinsfestes, unterhielten sich
die fünfjährige, katholische Aw, die fünfjährige, katholische Bw und die fünfjäh-
rige, muslimische Rw. Das Gespräch wurde vor dem Mittagessen im Gruppenraum
geführt, während die anderen Kinder sich im Garten aufhielten. Die Mädchen waren
konzen triert beim Gespräch, das einmal kurz unterbrochen wurde, weil die Teller für
das nachfolgende Mittagessen in den Gruppenraum gebracht wurden. Das Gespräch
wurde mit malerischen Elementen und einer kleinen Martinspuppe unterstützt.
Aw ist der Überzeugung, dass Rw beim Fest nicht anwesend gewesen sei und
begründet dies mit Rws Laterne, die sich noch im Kindergarten befinde, während alle
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279