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3.2 Blick auf die Organisation
Nach einiger Zeit im Kindergarten und den Diskussionen mit den Kindern zeigte
sich, dass die Organisation nicht ausgeblendet werden kann, weshalb im Sinne der
Grounded Theory die Forschungsfrage adaptiert und die weitere Datenerhebung im
Verlauf der Forschung immer wieder angepasst wurde. Dabei sind auch, insbesondere
während der auf ein Schuljahr verteilten Teilnehmenden Beobachtung, viele Daten zu
anderen Dimensionen von Differenz wie Geschlecht, Alter, Größe, Sprache, Nationa-
lität, Haut-, Haar- und Augenfarbe gesammelt worden, die in dieser Arbeit mit ihrem
Fokus auf religiöse Differenz nicht thematisiert werden.975
Im Kindergarten ist tendenziell die Religion der Mehrheit dominant und aus-
schließlich diese wird im Kindergarten thematisiert, wie die Daten der vorliegenden
Studie verdeutlichen. Kinder der kleineren Religionen können sich anpassen oder sind
bei bestimmten Angeboten abwesend, das Potenzial ihrer eigenen Religion wird im
Kindergartenalltag nicht erkennbar. Wird Differenz nicht thematisiert, ist die Mehrheit
automatisch das „Normale“ und somit das „Bestimmende“ im Kindergarten.
Die von der dominanten Religion geprägte Kultur des Kindergartens ist zu einer
Kultur der Anerkennung zu entwickeln, in der keine Diskriminierung vorkommt. Kin-
der benötigen einen safe space der Anerkennung, um religiöse Differenz thematisieren
zu können. Im Kindergarten wäre es möglich, religiöse Differenz anzuerkennen und
mit Kindern Respekt verschiedenen Religionen gegenüber einzuüben. Der Kindergar-
ten hat die Chance, ein safe space zu sein, indem Kinder einen Raum der Anerkennung
ihrer Differenz, auch ihrer religiösen, erfahren können.
3.3 Forschungsdesiderate
Die Forschungsergebnisse sowie die Fokussierung der Forschungsfrage auf den
Umgang mit religiöser Differenz in zwei Kindergärten in katholischer und islamischer
Trägerschaft verweisen auf zukünftige Forschungsprojekte, die vertiefte Einsichten in
den Umgang mit religiöser Differenz seitens der Organisation und der Kinder geben.
Die in der Studie herauskristallisierte Bedeutung der Organisation gilt es in zukünf-
tigen Projekten, insbesondere im Bereich der Kindheitsforschung, zu beachten. Da
der Kontext und die Perspektive der Kinder miteinander in einem Zusammenhang zu
stehen scheinen, ist es entscheidend, nicht ausschließlich Kindermeinungen zu erhe-
ben, sondern auch den organisationalen Kontext der Kinder zu berücksichtigen und zu
thematisieren. Interessant wäre es, die Forschung auf weitere Kindergärten auszudeh-
nen. So könnten Kindergärten in säkularer Trägerschaft einbezogen werden. Neben
Kindergärten in einer Großstadt wie Wien wären auch Kindergärten im ländlichen
Raum für weitere Forschungen relevant.
975 Die Auswertung dieser Daten wird in einem gesonderten Beitrag publiziert.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279