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2.2 Bildungsangebotsentwicklung
2.2.1 Situationen im Kindergartenalltag als Lernchance erkennen
Die Ergebnisse der Untersuchung deuten darauf hin, dass Kinder gegenüber religiöser
Differenz offen und neugierig sind, sofern sie diese erkennen.844 So thematisieren die
an den Gesprächen beteiligten Kinder im Kindergarten in islamischer Trägerschaft
sachlich und mit Selbstverständlichkeit, dass nicht alle Kinder in den Koranunter-
richt gehen. Auch die Ergebnisse der Untersuchung von Julia Ipgrave845 deuten dar-
auf hin, dass religiöse Pluralität für die Kinder selbstverständlich, wenn auch nicht
immer positiv besetzt ist. Im Rahmen seines Forschungsprojekts stellt Gottfried Orth
fest, dass nicht-diskriminierende Differenzerfahrungen für Kinder selbstverständlich
sind.846 In der Studie „Gemeinsamkeiten stärken – Unterschieden gerecht werden“
werden in den Gesprächen mit den Kindern wenig Vorurteile gegenüber der jeweils
anderen Religion sichtbar.847 In dem von Hans Streib beschriebenen Interview zweier
Mädchen im Grundschulalter argumentieren diese nicht für die Überlegenheit einer
Religion, sondern treten in einen spielerischen interreligiösen Austausch über Ideen
und Bilder.848 In der Studie von Eva Hoffmann zeigen die Kinder, anders als im For-
schungsprojekt von Julia Ipgrave,849 in der Differenzen nicht immer positiv aufgefasst
werden, keinen expliziten Stolz auf ihre jeweilige Religionszugehörigkeit, allerdings
sind sie teilweise stolz auf individuelle Vorstellungen. Diese verschiedenen Ergeb-
nisse lassen sich möglicherweise auf die unterschiedlichen Rahmenbedingungen und
Kontexte der Studien zurückführen: Während Eva Hoffmann in evangelisch geführten
Kindergärten forschte, wurde die Untersuchung von Julia Ipgrave mit acht- bis elf-
jährigen Kindern der nicht muslimischen Minderheit an einer Schule durchgeführt.
Verglichen mit dem Forschungsprojekt von Julia Ipgrave850 wird in dieser Arbeit kein
eindeutiger Stolz gegenüber der eigenen Religionszugehörigkeit deutlich. Allerdings
zeigt sich bei den muslimischen Kindern im Kindergarten in islamischer Trägerschaft
844 Vgl. Kapitel „Relevanz von religiöser Differenz“ (Teil V, 4.2.1).
845 Ipgrave, Julia (2002): Inter faith encounter and religious understanding in an inner city
primary school.
846 Vgl. Orth, Gottfried (2000): Umgang mit religiöser Differenz. In: Fischer, Dietlind/
Schöll, Albrecht (Hg.): Religiöse Vorstellungen bilden, 173–186, 182.
847 Schweitzer, Friedrich/Biesinger, Albert (zusammen mit Boschki, Reinhold u. a.) (2002):
Gemeinsamkeiten stärken – Unterschieden gerecht werden.
848 Vgl. Streib, Heinz (2001): Inter-Religious Negotiations. In: Heimbrock, Hans-Günter/
Scheilke, Christoph/Schreiner, Peter (Hg.): Towards Religious Competence, 129–149,
138.
849 Ipgrave, Julia (2002): Inter faith encounter and religious understanding in an inner city
primary school; Bock, Karin (2010): Kinderalltag – Kinderwelten.
850 Ipgrave, Julia (2002): Inter faith encounter and religious understanding in an inner city
primary school.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279