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30 „Aus erkenntnistheoretischen Gründen ist die Rede von einer ‚Identifizierung‘ von
Religion oder Religiosität problematisch und sollte vermieden werden. Die Frage ob
etwas nun ‚wirklich‘ Religion oder Religiosität ‚ist‘, suggeriert eine Objektivierbarkeit
von Wirklichkeit, die wir nicht zur Verfügung haben, und verkennt den konstruktiven
Charakter der beiden Begriffe.“108
6.6 Wahrnehmung und Ausdrucksformen
Ästhetische109, phänomenologische und handlungstheoretische Konzepte110 sind in der
Praktischen Theologie und Religionspädagogik für die Begriffe Wahrnehmung und
Ausdrucksformen leitend. Die Wahrnehmungsbegriffe der genannten Konzepte legen
einen besonderen Schwerpunkt auf die Subjekte der Wahrnehmung und die „individu-
ellen Bedingungen und Verstehensweisen im Akt der Wahrnehmung“ stehen im Vor-
dergrund.111 Im Sinne des handlungswissenschaftlichen Ansatzes ist Handeln „offen
für Wahrnehmung, weil es verstanden werden kann als ein Ausdruck-Geben von
Erfahrungen mit Wahrnehmungen, das (wiederum wahrnehmbare) Wirkung erzielt“.112
„Wahrnehmung manifestiert sich durch den handelnden Ausdrucksakt als Ausdrucks-
vielleicht sogar ausgesprochen negativ besetzt sind? Schließlich: Inwieweit ist nicht auch
diese neuerliche Entgrenzung des religionspädagogischen Gegenstandsbereichs bestimmt
durch den ‚unterschwellig apologetischen Versuch, religiöse Erziehung und noch mehr
religiöse Bildung durch einen ganz weiten, ontologisch abgesicherten Religionsbegriff
unangreifbar zu machen‘ (Feifel 1973, 44)?“ Diese Frage ist auch für Kinder im Kin-
dergartenalter relevant, für die der Begriff der Religion oftmals ein abstraktes Wort ist.
Auch wenn Kinder religiöse Erfahrungen nicht so benennen, können sie diese trotzdem
erfahren haben.
108 Pirner, Manfred L. (2006): Religiosität als Gegenstand empirischer Forschung. In: Angel,
Hans-Ferdinand u. a.: Religiosität, 30–52, 43.
109 Vgl. Kunstmann, Joachim (2002): Religion und Bildung. Zur ästhetischen Signatur
religiöser Bildungsprozesse. Gütersloher Verlagshaus.
110 Die Gegenüberstellung eines ästhetischen und eines handlungstheoretischen Ansatzes
bleibt unzureichend, vielmehr führt „die Einbeziehung der ästhetischen Dimension eine
praktisch-theologische Handlungstheorie aus möglichen Verengungen“ hinaus und trägt
dazu bei, „ihren spezifischen Handlungsbegriff präziser zu fassen und die daraus sich
ergebenden praktischen Aufgaben klarer zu konturieren.“ (Mette, Norbert (2000): Prakti-
sche Theologie – Ästhetische Theorie oder Handlungstheorie? In: Abeldt, Sönke/Bauer,
Walter/Heinrichs, Gesa/Knauth, Thorsten/Koch, Martina/Tiedemann, Holger/Weiße,
Wolfram (Hg.): „… was es bedeutet, verletzbarer Mensch zu sein“. Erziehungswissen-
schaft im Gespräch mit Theologie, Philosophie und Gesellschaftstheorie. Helmut Peukert
zum 65. Geburtstag. Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag, 37–46, 45).
111 Altmeyer, Stefan (2007): Welche Wahrnehmung? Kontexte und Konturen eines praktisch-
theologischen Grundbegriffs. In: Boschki, Reinhold/Gronover, Matthias: Junge Wissen-
schaftstheorie der Religionspädagogik, 214–237, 223.
112 Altmeyer, Stefan (2006): Von der Wahrnehmung zum Ausdruck. Zur ästhetischen Dimen-
sion von Glauben und Lernen. Stuttgart: Kohlhammer, 373.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279