Seite - 180 - in Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten - Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
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Kreative Erklärung von Meinungsverschiedenheiten
Kinder sind in den Gesprächen teilweise bemüht, Meinungsverschiedenheiten auf kre-
ative Weise zu klären. Beispielsweise versucht ein Mädchen die Meinungsverschie-
denheit über die An- oder Abwesenheit eines anderen Kindes dadurch zu klären, dass
dieses Mädchen, das von ihrer Anwesenheit überzeugt ist, vielleicht zu Hause gefeiert
habe und somit nur denke, im Kindergarten dabei gewesen zu sein.
Bei einer weiteren Meinungsverschiedenheit über den Ort des Feierns des Martins-
festes meint ein Mädchen, dass im Garten gefeiert worden sei, wohingegen ein anderes
Mädchen behauptet, das Fest habe in der Kirche stattgefunden und anschließend die
beiden Meinungen so verbindet, dass ihrer Ansicht nach zuvor in der Kirche und dann
im Garten gefeiert worden sei.
Ergänzung von Ideen anderer Kinder
In manchen Gesprächen greifen die Kinder Ideen von anderen Kindern auf und führen
diese fort, wie beispielsweise im Gespräch der Kinder über den Adventskranz.
4.2.4 Zugehörigkeitsstreben der Kinder
Zugehörigkeitsstreben der Kinder der kleineren Religionen –
Selbstverständliche Zugehörigkeit der Kinder der größeren Religion
Kinder bemerken aufgrund verschiedener religiöser Ausdrucksformen religiöse Diffe-
renz, die Kommunikation darüber unterscheidet sich zwischen Kindern der größeren
Religion und der kleineren Religionen im jeweiligen Kindergarten. Kinder der größe-
ren Religion äußern sich, sofern es für sie relevant ist, über ihre eigene Religion und
ihre religiösen Ausdrucksformen und zeigen sich an religiöser Differenz interessiert,
Kinder der kleineren Religionen thematisieren ihre eigene Religion und ihre religiösen
Ausdrucksformen nicht und sie tendieren dazu, sich in ihrem Verhalten nicht von den
Kindern der größeren Religion zu unterscheiden,657 wodurch ihre religiöse Differenz
im Kindergarten nicht erkennbar ist. Die Kinder, die in der Kategorie „Relevanz von
religiöser Differenz“658 Interesse an religiöser Differenz zeigen, sind ausschließlich
Kinder der größeren Religionen, wobei besonders die Kinder der größeren Religion
im Kindergarten in islamischer Trägerschaft religiöse Differenz selbstverständlich
thematisieren und an religiöser Differenz interessiert sind.
Während sich die Kinder der größeren Religion mitsamt ihrer religiösen Aus-
drucksformen im Kindergarten zugehörig fühlen, schweigen Kinder der kleineren
Religionen über ihre Religion und ihre religiösen Ausdrucksformen und fallen in ihrer
religiösen Differenz nicht auf. Kinder der größeren Religion thematisieren ihre eigene
Religion viel häufiger als Kinder der kleineren Religionen. So äußern sich muslimische
Kinder im Kindergarten in islamischer Trägerschaft häufig über ihre Religion und ihre
657 Vgl. Kapitel „Frage der Zugehörigkeit“ (Teil V, 4.2.2).
658 Vgl. Kapitel „Relevanz von religiöser Differenz“ (Teil V, 4.2.1).
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279