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4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung
4.1 Reflexion des Rollenverständnisses der Forscherin
„Die Beschreibenden sind mit der eigenen Person in die Vorgänge, die sie beschrei-
ben, verwickelt. Die Verletzlichkeit von Kindern und Jugendlichen macht auch die
Erwachsenen, die mit ihnen zu tun haben, in besonderer Weise verletzlich.“574
Als ausgebildete Kindergartenpädagogin war es für mich zu Beginn eine Herausforde-
rung, nicht als Kindergartenpädagogin, sondern als Forscherin zu agieren. Die Tren-
nung zwischen den Anforderungen, die die Präsenz im Kindergarten üblicherweise
erfordert, und den Aufgaben der Forscherin musste besonders den Pädagoginnen klar
erklärt und immer wieder in Erinnerung gerufen werden, da ihnen die Rolle einer
forschenden Person nicht geläufig war. Teilweise bereitete mir die Rolle als Forsche-
rin Unbehagen, da ich den an mich gestellten Erwartungshaltungen der Pädagogin-
nen und der Kinder aufgrund meiner Rolle nicht entsprechen konnte. So war es mir
nicht möglich, mich so in das Team zu integrieren, wie dies von den Pädagoginnen
gewünscht war, um meine Distanz als Forscherin zu bewahren. Von Seiten der im
Kindergarten angestellten Kindergartenpädagoginnen und -assistentinnen, denen
bekannt war, dass ich als Forscherin im Kindergarten war, aber auch wussten, dass
ich ausgebildete Kindergartenpädagogin war, wurde aufgrund von Personalmangel
in den Einrichtungen öfter der Anspruch an mich gestellt, in bestimmten Situatio-
nen Aufgaben zu übernehmen oder in einer anderen Gruppe auszuhelfen. Im Sinne
der Balance zwischen Distanziertheit der Forscherinnenrolle und Involviertheit in den
Alltag und der empathischen Teilnahme575 übernahm ich diese Aufgaben, sofern diese
mit meiner teilnehmenden Beobachtungsrolle vereinbar waren. Wenn ich der Anfrage
mit Verweis auf mein Forschungsprojekt nicht nachkommen konnte, verstanden und
akzeptierten die Pädagoginnen dies. Auch konnte ich den Wünschen der Kinder, mit
ihnen zu spielen, nicht immer nachkommen, um meinen Blick auf die Situation zu
lenken, die einen Erkenntniszugewinn in Hinblick auf meine Forschungsfrage brin-
gen konnte, wobei die Kinder die Begründung, dass ich momentan gerne zuschauen
möchte, akzeptierten.
In mehreren Statements der Kindergartenpädagoginnen wurde deutlich, dass trotz
Erklärung des Projekts und des Anliegens der Forschung und dem Austeilen von
Briefen mit der Kurzbeschreibung des Projekts, meine Rolle für die Pädagoginnen
fragwürdig blieb und sie mir teilweise die Rolle einer Praktikantin zuschrieben, was
574 Bizer, Christoph (1993): Auf dem Weg zu einer praktischen Anthropologie des Kindes
und des Jugendlichen. In: Riess, Richard/Fiedler, Kirsten (Hg.): Die verletzlichen
Jahre. Handbuch zur Beratung und Seelsorge an Kindern und Jugendlichen. Gütersloh:
Gütersloher Verlagshaus, 743–756, 747.
575 Vgl. Przyborski, Aglaja/Wohlrab-Sahr, Monika (2014): Qualitative Sozialforschung, 48.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279