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zu verdeutlichen. So empfiehlt Silvia Habringer-Hagleitner, „bei der Auswahl von
Liedern und Gebeten auf die Heterogenität religiöser Traditionen in der Gruppe“ zu
achten.863
Feste strukturieren das Jahr, sind Höhe- und Haltepunkte und Kinder erwarten
diese mit Vorfreude und Spannung. Das einmalige Feiern eines Festes einer anderen
Religion ohne sonstige Berücksichtigung religiöser Differenz im Kindergarten scheint
trotz der positiven Handlungsabsichten die erwünschten Intentionen zu verfehlen.
Wenn Feste gefeiert oder thematisiert werden, stellt sich die Frage, wie dies erfolgt,
damit das Fest nicht als „exotische Aktivität“ wahrgenommen wird, sondern auf der
Anerkennung von religiöser Differenz im Kindergarten beruht.
2.2.2 Sachlich richtige Erklärungen zu religiöser Differenz anbieten
Kinder bemerken Unterschiede, aber kennen ohne Erklärung der Erwachsenen den
Grund dafür nicht oder erfinden eigene, auf ihrer Erfahrung basierende Gründe.864
Kinder sind für das Verstehen von religiöser Differenz auf Erklärungen der Erwach-
senen angewiesen, die häufig ausbleiben. Dass Erwachsene den Kindern Erklärungen
schuldig bleiben, wird auch in der Studie von Schweitzer und Biesinger865 festgestellt.
Kindern wird nicht der religiöse Hintergrund erklärt, warum manche Kinder unter-
schiedliche Feste feiern. „Erfahrungen machen die Kinder trotzdem, auch wenn sie
sie nicht auf den Begriff bringen können. Diese Situation ist im Übrigen keineswegs
einzigartig, sondern geradezu typisch für die Ausgangslage von Bildungsaufgaben in
der Grundschule.“866 Auch wenn Kinder ihre eigene Religionszugehörigkeit oder reli-
giösen Einstellungen nicht begrifflich ausdrücken können, so haben möglicherweise
einige Kinder Erfahrungen damit gemacht. „Bildung bedeutet in allen diesen Fällen
nicht nur Welterschließung im Sinne neuer Erfahrungen, sondern eine kategoriale
Erschließung bereits vorhandener eigener Erfahrungen.“867
„Ohne Zweifel ist es eine wichtige pädagogische Aufgabe, Kindern bei der Verarbei-
tung von Differenzerfahrungen Unterstützung zu bieten. Unter religionspädagogischen
Aspekten kommt es darauf an, dass die religiösen Differenzen auch religiös verstanden
863 Habringer-Hagleitner, Silvia (2006): Zusammenleben im Kindergarten, 336.
864 Vgl. Abschnitt „Anfragen an bei Festen abwesende Kinder“ im Kapitel „Frage der Zuge-
hörigkeit“ (Teil V, 4.2.2).
865 Schweitzer, Friedrich/Biesinger, Albert (zusammen mit Boschki, Reinhold u. a.) (2002):
Gemeinsamkeiten stärken – Unterschieden gerecht werden.
866 Schweitzer, Friedrich (2009): Wie Kinder und Jugendliche religiöse Differenz wahrneh-
men. In: Bucher, Anton A. u. a. (Hg.): Jahrbuch der Kindertheologie: „In den Himmel
kommen nur, die sich auch verstehen“, 39–49, 41.
867 Ebd., 42.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279