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52 stärker wahrgenommen werden, als es bislang der Fall ist. Dass der Elementarbereich
hier zunehmend hinter der (Grund-)Schule zurückbleibt, ist ein defizitärer Zustand, der
sich keineswegs von den Entwicklungs- und Orientierungsbedürfnissen oder -möglich-
keiten der Kinder her begründen oder rechtfertigen ließe.“217
Im Werk „Religiöse Vielfalt in der Kita! – Best-Practice-Beispiele“218 wurde die inter-
religiöse Praxis von 17 Einrichtungen vorgestellt, wodurch eine Bandbreite unter-
schiedlicher modellhafter Profile sichtbar gemacht werden soll.
1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung
In der entwicklungspsychologischen Erforschung der Glaubensentwicklung interes-
sierte sich David Elkind in einer Studie mit 790 Kindern für die Bedeutung der reli-
giösen Identität für Kinder unterschiedlichen Alters. Er stellte den protestantischen,
katholischen und jüdischen Kindern Fragen wie „Bist du ein …“, „Ist deine Familie
…“, „Sind alle Buben und Mädchen in der Welt …“, „Kann ein Hund oder eine Katze
ein … sein?“, „Wie kannst du einer Person erzählen, dass sie ein … ist?“, „Was ist ein
…?“, „Wie wirst du ein …?“, „Kannst du ein Amerikaner und ein … zur selben Zeit
sein?“.219 Im Alter von fünf bis sieben Jahren hatten Kinder einen globalen, undiffe-
renzierten Eindruck ihrer religiösen Glaubensgemeinschaft, der einem Familienna-
men ähnelte. Wenn sie gefragt wurden, was dies bedeutet, wurde klar, dass sie nur eine
vage, unklare Idee der Glaubensgemeinschaft hatten.220
David Elkind stellte den Kindern Suggestivfragen, die sie mit Ja oder Nein beant-
worteten, und erst beim Nachfragen wurden teilweise offene Fragen gestellt. In den
Antworten auf diese Fragen wurde die Vermischung von religiösen, nationalen und
rassischen Unterschieden deutlich. Zudem dachten die Kinder diese Zugehörigkeiten
exklusiv, ein Amerikanersein verhindere es, ein Protestant, ein Katholik oder ein
Jude zu sein. Elkind erklärte dies, dass das Kind wusste, nur einen Familiennamen
zu haben und es also auch nicht zwei generelle Zugehörigkeiten gleichzeitig haben
könnte. Er spricht von einer „nominal conception“, somit einer Zugehörigkeit zu einer
religiösen Gruppe dem Namen nach. Die Kinder haben Begriffe gehört, können diese
allerdings nicht mit bestimmten Eigenschaften verbinden. Kinder im Grundschulalter
im Alter von sieben bis neun Jahren konnten klar zwischen religiösen und nicht reli-
giösen Zugehörigkeiten unterscheiden, allerdings basierten die Unterscheidungen auf
217 Schweitzer, Friedrich u. a. (2011): Interreligiöse und interkulturelle Bildung in Kinderta-
gesstätten. In: Schweitzer, Friedrich/Edelbrock, Anke/Biesinger, Albert (Hg.): Interreligi-
öse und interkulturelle Bildung in der Kita, 29–54, 54.
218 Edelbrock, Anke/Biesinger, Albert/Schweitzer, Friedrich (Hg.) (2012): Religiöse Vielfalt
in der Kita.
219 Vgl. Elkind, David (1964): Age changes in the meaning of religious identity. Review of
Religious Research 6(1), 36–40, 37.
220 Ebd.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279